Für den Roman «Herkunft» erhält Sasa Stanisic den deutschen Buchpreis. Die Dankesrede nutzt er, um einen Nobelpreisträger Peter Handke zu kritisieren.
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Sasa Stanisic (l) bekommt den Deutschen Buchpreis 2019 von Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, im Frankfurter Römer in Form einer Urkunde übergeben. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der deutsche Buchpreis geht an den Roman «Herkunft» von Sasa Stanisic.
  • In seiner Dankesrede kritisiert er Literaturnobelpreis-Träger Peter Handke.

Als sich Sasa Stanisic erhebt, fällt es ihm schwer zu sprechen. Vor wenigen Minuten hat er erfahren, dass er für seinen Roman «Herkunft» den Deutschen Buchpreis 2019 erhält.

Viel Ehre, garantierte Verkaufszahlen und 25'000 Euro Preisgeld sind damit verbunden. Aber nicht vor Rührung versagt seine Stimme: Der 41-Jährige ist krank und ausserdem wütend.

Deutscher Buchpreis Sasa Stanisic
Für seinem Roman «Herkunft» hat Sasa Stanisic den Deutschen Buchpreis erhalten. - dpa

«Bitte halten Sie eine Spuckdistanz Abstand», rät Sasa Stanisic den Gratulanten im Kaisersaal des Frankfurt Römer. Er habe eine Schilddrüsenentzündung, «nicht angenehm». «Ich freue mich wirklich immens über diesen Preis», sagte der sichtbar Kranke. Eine andere Ehrung habe ihm aber die Freude über seine eigene Auszeichnung «vermiest».

Sasa Stanisic kritisiert Peter Handke

Sasa Stanisic wurde 1978 im bosnischen Visegrad geboren, mit 14 Jahren floh er vor dem Krieg in Jugoslawien nach Deutschland. Peter Handke, der in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte in den 1990er Jahren für Serbien Partei ergriffen. Stanisic bittet die Zuhörer erst höflich um Nachsicht, dass er seine Redezeit nutze, «um mich zu echauffieren». Dann legt er los.

Peter Handke Sasa Stanisic
Sasa Stanisic kritisiert Literaturnobelpreis-Träger Peter Handke. - dpa

«Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt», sagte Autor. «Dass ich heute vor Ihnen stehen darf, habe ich einer Wirklichkeit zu verdanken, die sich dieser Mensch nicht angeeignet hat.»

Er nehme den Buchpreis entgegen als Vertreter einer anderen Literatur. «Einer Literatur, die nicht zynisch ist, nicht verlogen. Die uns Leser nicht für dumm verkaufen will, indem sie das Poetische in Lüge verkleidet».

Deutscher Buchpreis für den Roman «Herkunft»

In «Herkunft» erzählt der 41-Jährige von seiner Grossmutter, die langsam das Gedächtnis verliert. Sasa Stanisic erzählt über die Flucht der Familie nach Deutschland und behandelt dabei die Frage, welche Rolle Herkunft überhaupt spielt. Seine Antwort: keine. «Herkunft ist Zufall», sagt Stanisic in einem bei der Preisverleihung gezeigten Video-Einspieler.

«Ich verstehe das Beharren auf dem Prinzip der Nation nicht. Ich verstehe nicht, dass Herkunft Eigenschaften mit sich bringen soll», heisst es im Roman. Für ihn gilt: «Heimat ist das, worüber ich gerade schreibe.»

Müsste die Familie heute fliehen, erzählt Stanisic, würde die Reise an einem ungarischen Stacheldraht enden. Seine Eltern wurden ausgewiesen, er durfte Deutsch lernen und bleiben.

Deutscher Buchpreis Sasa Stanisic
Deutscher Buchpreis für den Roman «Herkunft» von Sasa Stanisic. - dpa

«Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut», begründet die Jury ihre Wahl. «Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist.» Der Autor beweise grosse Fantasie und verweigere sich «der Chronologie, des Realismus und der formalen Eindeutigkeit».

Der angeschlagene Preisträger wünschte zum Abschied eine gute Buchmesse. Die Messe wird am Dienstag eröffnet. Den Besuchern gab er einen Rat mit auf den Weg: «Lassen Sie sich nicht anstecken – ausser von guter Literatur».

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