Experten mahnen in Zusammenhang mit der Corona-Krise rasche Fortschritte bei der Digitalisierung im Medizin-Sektor an. Deutschland hinke der internationalen Entwicklung weit hinterher, erklärte der Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen am Dienstag in einem Gastbeitrag für den «Spiegel».
Ärzte in einem telemedizinischen Zentrum in Moskau
Ärzte in einem telemedizinischen Zentrum in Moskau - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Patientenakte und Telemedizin könnten Ärzte in Corona-Krise entlasten.

Die Bewältigung der Krise werde dadurch «unnötig erschwert».

Das Expertengremium, dessen sieben Mitglieder vom Bundesgesundheitsministerium berufen werden, äusserte sich demnach zum ersten Mal zur aktuellen Pandemie. Empfohlen werde, «umgehend» auf eine ambulante telemedizinische Fernbetreuung umzusteigen. «Patientinnen und Patienten können gut überwacht zu Hause bleiben und werden davor geschützt, sich in Krankenhäusern anzustecken oder dort selbst andere zu infizieren», schrieb der Sachverständigenrat.

Auch könnte bei konkreten Verdachtsfällen ein ambulanter Test auf das Coronavirus vor Ort organisiert werden, um eine sofortige Isolation von Infizierten einzuleiten. «Dies gilt insbesondere für Pflegeheime, in denen viele Menschen mit hohem Risiko eng zusammen sind», zitierte der «Spiegel» die Experten weiter.

Der Sachverständigenrat bedauerte, dass es bislang noch keine elektronische Patientenakte gibt. Sonst könnten Menschen mit erhöhtem Risiko schneller identifiziert werden. Die E-Akte soll aber erst 2021 eingeführt werden.

«Die im deutschen Gesundheitssystem ausgeprägte strukturelle Abschottung zwischen Kliniken und Praxen, der 'Faxstandard' in der zwischenärztlichen Kommunikation und die noch überall verbreitete papiergebundene Karteikarte weisen darauf hin, dass die aktuelle Krise, etwa bei der unkoordinierten Versorgung von Pflegeheimen, auch eine Koordinationskrise in einem verzettelten System ist», kritisieren die Experten im «Spiegel» weiter.

Das Gremium begrüsst dagegen ausdrücklich die aktuellen Überlegungen der Bundesregierung, mittels einer freiwilligen App Kontaktpersonen vor einer potenziellen Infektion zu warnen. Generell solle die Krise zum Anlass genommen werden, die Nutzung digitaler Gesundheitsdaten für eine bessere Forschung und Versorgung zu ermöglichen.

«Daten sind auch im Kampf gegen Covid 19 ein scharfes Schwert», hiess es. Allerdings müsse deren Nutzung «rechtlich und technisch gegen Missbrauch gesichert sein». Sei diese Voraussetzung erfüllt, gelte jedoch: «Wir sollten aufhören, uns den Unwillen oder die Unfähigkeit, Gesundheitsdaten im Sinne des Patientenwohls zu verwenden, als Datenschutz schönzureden.»

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