Weil er seine deutlich jüngere Partnerin ermordet und zerstückelt haben soll, muss sich seit Dienstag der renommierte russische Geschichtsprofessor Oleg Sokolow vor Gericht verantworten.
Oleg Sokolow
Oleg Sokolow 2006 als Napoleon verkleidet. - AFP/Archiv
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Grausame Tat des Napoleon-Experten entfachte Debatte über häusliche Gewalt.

Der auch für seine Auftritte in historischen Kostümen bekannte Napoleon-Experte erschien in St. Petersburg mit Atemschutzmaske und Arzthandschuhen im Glaskasten für Angeklagte. Nach nur einer Stunde wurde der Prozess auf Antrag der Verteidigung vertagt.

Die Verteidigung des 63-jährigen Angeklagten begründete ihren Antrag damit, dass sie Zeit brauche, um den Computer des 24-jährigen Opfers zu untersuchen. Der Prozess soll am 15. Juni fortgesetzt werden. Er war wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben worden, am Dienstag nun ging er ohne Publikum los. Die Verhandlung wurde stattdessen über einen Account der Justizbehörden übertragen. Alle im Saal anwesenden Prozessbeteiligten trugen ebenso wie der nervös wirkende Sokolow Schutzmasken.

Der Professor hat bereits gestanden, seine ehemalige Studentin Anastasia Jeschtschenko getötet zu haben. Er war im November im betrunkenen Zustand bei dem Versuch festgenommen worden, Leichenteile im Fluss Moika in St. Petersburg zu versenken. Die Polizei holte den 63-Jährigen aus dem eiskalten Wasser und entdeckte in seinem Rucksack abgetrennte Frauenarme. In der Wohnung des Napoleon-Experten fanden die Beamten eine blutverschmierte Säge sowie die enthauptete Leiche von Jeschtschenko. Mit der 24-Jährigen hatte Sokolow mehrere Bücher geschrieben und zusammengelebt.

Der Gelehrte hatte bei einer Anhörung kurz nach der Festnahme angegeben, seine Partnerin sei «in letzter Zeit verrückt geworden», wenn es um seine Kinder aus einer früheren Ehe ging. Sie habe ihn «mit einem Messer angegriffen». Der Bruder von Jeschtschenko sagte seinerseits russischen Medien, Sokolow sei rasend eifersüchtig gewesen. So habe der 63-Jährige seine Partnerin einmal zusammengeschlagen, als sie auf die Geburtstagsfeier eines Kommilitonen gehen wollte.

Der Fall löste in Russland eine Debatte über Gewalt gegen Frauen aus. Studentinnen an der Staatlichen Universität St. Petersburg sollen schon vorher teils gewalttätige sexuelle Übergriffe des Professors gemeldet haben, ohne dass dies Folgen hatte. So gab eine Studentin, die 2008 eine Affäre mit Sokolow hatte, laut Medienberichten an, der Professor habe sie an einen Stuhl gefesselt, ihr ins Gesicht geschlagen und gedroht, sie anzuzünden und zu töten, wenn sie ihn verlasse.

In Russland werden nach Angaben von Aktivisten jährlich 16,5 Millionen Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Unter Präsident Wladimir Putin waren die Strafen dafür herabgesetzt worden, die meisten Täter kommen mit einer Geldstrafe davon. Die bekannte Frauenrechtlerin Alena Popowa prangerte nach der Festnahme von Sokolow ein «verfaultes Rechtssystem» an, «das gewalttätige Männer bis zu dem Moment schützt, an dem man eine Leiche hat».

Sokolow ist Autor mehrerer Werke über Napoleon Bonaparte. Er lehrte auch an der renommierten französischen Sorbonne und ist Mitglied der französischen Ehrenlegion.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

ComputerWasserGewaltWladimir PutinGericht