Nach zweiwöchigen Protesten gegen die Rentenreform in Frankreich zeichnet sich zwischen Regierung und Gewerkschaften noch keine Lösung ab. Wir sind «sehr, sehr weit von einer Einigung entfernt», sagte der Vorsitzende der grössten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, nach einem Treffen mit dem französischen Regierungschef Edouard Philippe am Mittwoch.
Bereit, die Rentenreform «nachzubessern»: Präsident Macron
Bereit, die Rentenreform «nachzubessern»: Präsident Macron - POOL/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Präsident Macron kompromissbereit - Gewerkschaften drohen mit Streiks an Weihnachten.
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Zuvor hatte sich Präsident Emmanuel Macron erstmals kompromissbereit gezeigt: Der Staatschef sei willens, die Pläne «nachzubessern», erklärte der Elysée-Palast. Die Gewerkschaften drohen mit Streiks an Weihnachten, wenn Macron sein zentrales Reformvorhaben nicht aufgibt.

Verhandlungsbereit ist der Präsident nach Angaben seines Büros insbesondere bei der geplanten Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre. Im Ganzen werde Macron die Reform aber «weder aufgeben noch verfälschen», hiess es. Gewerkschaftschef Berger sagte nach einem einstündigen Treffen mit Philippe, dass weiterhin «Uneinigkeit» im Streit um das Rentenalter herrsche. Die Entschlossenheit seiner Gewerkschaft sei «ungebrochen».

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen warf dem Präsidenten ein politisches «Manöver» vor. «Erst schlägt man etwas Indiskutables vor. Dann zieht man es zurück, um den Rest durchzubringen, der ebenso inakzeptabel ist, über den aber weniger gesprochen wird», sagte sie dem Sender BFM-TV.

Die grösste Kritik gibt es unter den Gewerkschaften an dem Vorhaben, dass die Franzosen künftig erst mit 64 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, auch wenn das gesetzliche Eintrittsalter offiziell bei 62 Jahren bleibt. Daneben will Macron die 42 unterschiedlichen Rentensysteme in Frankreich vereinheitlichen und Sonderregelungen etwa für Mitarbeiter der Bahn und des Pariser Nahverkehrs abschaffen. Letztere streikten am Mittwoch bereits den 14. Tag in Folge.

Macrons Ziel ist es nach Angaben des Elysée-Palastes, den Franzosen eine Streikpause an Weihnachten zu ermöglichen. Mehrere Gewerkschaften hatten zuvor mit Aktionen bis mindestens Ende Dezember gedroht, falls die Regierung ihre Reformpläne nicht zurückzieht.

Regierungschef Philippe hatte am Nachmittag Einzelgespräche mit den Vorsitzenden der Gewerkschaften aufgenommen. Für Donnerstag ist eine gemeinsame Verhandlungsrunde mit allen Sozialpartnern geplant.

An den Gesprächen nahm erstmals auch der neue Rentenbeauftragte Laurent Pietraszewski teil. Sein Vorgänger Jean-Paul Delevoye war zu Wochenbeginn zurückgetreten, nachdem er verschiedene bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten zunächst verschwiegen hatte. Auch Pietraszewski steht in Online-Netzwerken in der Kritik, weil er eine Abfindung seines früheren Arbeitgebers, der Warenhauskette Auchan, in Höhe von gut 70.000 Euro erst nachträglich deklarierte.

Die Linkspartei La France Insoumise (LFI) stellte ein Gegenmodell zu Macrons Rentenreform vor. Danach sollen die Franzosen künftig bereits mit 60 in Rente gehen, die Zahl der Beitragsjahre soll von 43 auf 40 sinken. Finanzieren lasse sich dies über höhere Beiträge der Arbeitgeber, erklärte die Partei.

Gegen Macrons Reformpläne waren am Dienstag nach Angaben des Innenministeriums landesweit etwa 615.000 Menschen auf die Strasse gegangen. Die Gewerkschaft CGT sprach von 1,8 Millionen Demonstranten. In einer Umfrage sind nach wie vor 57 Prozent der Franzosen gegen die Rentenreform, acht Prozent mehr als in der vergangenen Woche.

Von den Streiks besonders betroffen bleiben Zugreisende: Am Mittwoch wurden erneut zahlreiche Verbindungen gestrichen, wie die Bahngesellschaft SNCF mitteilte. Im Schnitt fielen zwei Drittel der TGV-Schnellzüge aus und 60 Prozent der Regionalzüge. Die Deutsche Bahn und die Gesellschaft Thalys riefen ihre Kunden auf, sich im Internet zu informieren. Auch die meisten Pariser Metros und Busse fuhren erneut nicht.

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