Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Grossbritannien wegen der Massenausspähung von Journalisten verurteilt.
Britische Fähnchen an einem Touristen-Geschäft wehen vor den Houses of Parliament in London mit dem Elizabeth Tower (r), in dem die Glocke Big Ben hängt.
Britische Fähnchen an einem Touristen-Geschäft wehen vor den Houses of Parliament in London mit dem Elizabeth Tower (r), in dem die Glocke Big Ben hängt. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Grossbritannien verurteilt.
  • Das Urteil geht auf die Snowden-Enthüllungen zurück.

Grossbritannien hat mit der massenhaften Ausspähung der E-Mails von Journalisten gegen das Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit verstossen. Dies stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil fest. Die Strassburger Richter gaben damit 16 Klägern Recht, unter ihnen ein Netzwerk von investigativen Journalisten, die Vereinigung Big Brother Watch und andere Nichtregierungsorganisationen.

Die Organisationen hatten in Strassburg Klagen eingereicht, nachdem der amerikanische Computerexperte Edward Snowden im Jahre 2013 die Ausspäh-Praxis durch die Geheimdienste in den USA und in Grossbritannien enthüllt hatte.

Verletzt Recht auf freie Meinungsäusserung

Die massenhafte Ausspähung von Journalisten und Grundrechtsaktivisten verletze deren Recht auf freie Meinungsäusserung sowie auf Schutz ihres Privatlebens (Artikel 10 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention), urteilte nun das Gericht. Die Überwachung durch den britischen Geheimdienst sei keiner «angemessenen und unabhängigen Kontrolle» unterworfen. Die Kriterien für die Auswahl der untersuchten Mails seien nicht klar definiert. Dies wiege umso schwerer, als die fraglichen Kommunikationen «sehr viele Dinge über die Gewohnheiten und die Kontakte» der ausgespähten Personen enthüllten.

«Besonders besorgt» äusserte sich der Gerichtshof über die Bedingungen, unter denen «vertrauliche Informationen von Journalisten gezielt zur Überprüfung ausgesucht werden können». Die Überwachungsbehörden könnten so Zugang zu den Quellen von Reportern erlangen. Allein diese Möglichkeit könne eine «abschreckende Wirkung» auf Journalisten haben und somit die Pressefreiheit einschränken.

Hinzu komme, dass das britische Überwachungsgesetz einer grossen Zahl von Behörden die Möglichkeit gebe, bei Telekommunikationsunternehmen Zugang zu den Kommunikationen ihrer Kunden zu beantragen - unter unzureichend definierten Bedingungen, stellte das Strassburger Gericht weiter fest. Dies gelte auch für die Kommunikationen von Journalisten.

EU-Regelung verletzt

Diese Praxis verstosse gegen eine Regelung der EU, wonach Kommunikationsunternehmen solche Informationen nur zum Zweck der Verbrechensbekämpfung weitergeben dürfen - und nur unter Kontrolle eines Gerichts oder einer anderen unabhängigen Stelle. Als Mitglied der Europäischen Union sei Grossbritannien verpflichtet, die Vorschriften einzuhalten.

Das Urteil wurde von den sieben Richtern einer kleinen Kammer einstimmig gefällt. Grossbritannien kann dagegen binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter der Grossen Kammer verweisen - er muss dies aber nicht tun.

Snowden, ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, hatte im Juni 2013 dessen weltweites Spähprogramm «Prism» enthüllt. Er erläuterte einigen Journalisten, wie die NSA in grossem Stil auf Nutzerdaten von US-Internetkonzernen wie Google, Microsoft, Yahoo, Facebook und Apple zugreift. Er berichtete auch, wie die NSA eng mit anderen Geheimdiensten zusammenarbeitet, darunter dem britischen GCHQ. Die USA erliessen daraufhin einen internationalen Haftbefehl gegen Snowden, der derzeit in Russland im Asyl lebt.

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