Kais Saied beginnt in Tunesien mit der Bildung einer Regierung

Das Wichtigste in Kürze
- Parlamentschef Ghannouchi erneuert Putsch-Vorwürfe und fordert Rückkehr zur Demokratie.
- Präsident Kais Saied beginnt mit der Bildung einer neuen Regierung.
Wie das Präsidialamt in Tunis am Donnerstagabend mitteilte, ernannte Saied den früheren nationalen Sicherheitsberater Ridha Gharsallaoui zum Innenminister. Der Parlamentschef Rached Ghannouchi forderte Saied zum «Dialog» auf. Ohne eine Rückkehr zur Demokratie werde es eine «Mobilisierung der Strasse in Tunesien» geben, warnte er im AFP-Interview.
Der Ernennung Gharsallaou war eine massive Entlassungswelle in den staatlichen Institutionen vorausgegangen. Die Krise löste international Sorgen um die junge tunesische Demokratie aus.
Kais Saied hatte am Sonntag zunächst Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt und die Aussetzung der parlamentarischen Arbeit angeordnet. In den folgenden Tagen feuerte der Präsident weitere ranghohe Regierungsbeamte. Die richterliche Gewalt übernahm er selbst.

«Kais Saied hat einen Putsch begannen»
Saied hatte nach der Entlassung Mechichis angekündigt, die Regierungsgeschäfte gemeinsam mit einem von ihm bestimmten Ministerpräsidenten zu übernehmen. Einen Kandidaten für den Regierungschef benannte Saied indes bislang nicht. Auch einen von mehreren einflussreichen Nichtregierungsorganisationen geforderten Zeitplan für die weiteren politischen Schritte legte Kais Saied nicht vor.
Parlamentspräsident Ghannouch erneuerte im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP seinen Vorwurf, Saied habe einen «Putsch» begangen. Seine Partei rufe die Tunesier auf, «mit allen friedlichen Mitteln» gegen Saieds Vorgehen zu protestieren. Ennahdha werde «das Volk zur Verteidigung seiner Demokratie auffordern», betonte er.
Die Wiedereinsetzung des Parlaments forderte am Donnerstag auch US-Aussenminister Antony Blinken. Kais Saied habe ihm gegenüber die Absicht geäussert, «Tunesien auf den demokratischen Weg zurückzubringen», sagte Blinken dem Sender Al Jazeera. «Aber natürlich müssen wir uns die Massnahmen ansehen, die der Präsident und Tunesien ergreifen.»

Machtkampf tobt seit Monaten
Ghannouchi räumte in dem AFP-Interview auch Fehler seiner eigenen Partei «im sozialen und wirtschaftlichen Bereich» ein. Tunesien steckt seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft wurde. Gegen das Krisenmanagement von Mechichis Regierung hatte es vor dessen Entlassung heftige Proteste gegeben. Saied kündigte inzwischen die Einrichtung eines Corona-Krisenstabs an.
Zwischen Saied auf der einen sowie Ghannouchi und Mechichi auf der anderen Seite tobte in Tunesien seit Monaten ein Machtkampf. Im Januar verhinderte Saied eine von Mechichi angestrebte Regierungsumbildung unter Verweis auf mögliche Interessenskonflikte und Korruptionsvorwürfe gegen Ministerkandidaten.
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