Die rote Bastion Bremen ist getroffen - ob sie einstürzt, ist nicht gesagt. Der historische Sieg der CDU trifft die SPD bis ins Mark. Aber es gibt Machtoptionen für beide Seiten.
Die Spitzenkandidatin der Grünen in Bremen, Maike Schaefer. Foto: Carmen Jaspersen
Die Spitzenkandidatin der Grünen in Bremen, Maike Schaefer. Foto: Carmen Jaspersen - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Kalkül der Bremer CDU ist aufgegangen.
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«Über 70 Jahre SPD sind genug. Bremen kann mehr», war die zentrale Wahlkampf- Botschaft, mit der die CDU erstmals seit Kriegsende stärkste Kraft wurde.

«Wir haben den Regierungsauftrag. Ich will Bürgermeister werden», schlussfolgerte Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, der bis vor gut einem Jahr in der Politik und selbst der CDU de facto unbekannt war.

Der Sieg ist errungen, die Macht nicht. Die CDU braucht Partner, setzt auf Jamaika, und damit die Zustimmung der Grünen. Die sind Königsmacher und haben neben der Option Schwarz-Grün-Gelb auch noch eine andere: Rot-Rot-Grün.

Zugespitzt formuliert, könnte es sein, dass die CDU auf ihrem Weg ins Rathaus an den Grünen scheitert. Das dürfte weniger an der CDU selbst liegen, sondern am möglichen Dritten im Bunde: Mit der FDP verbindet die Grünen eine herzliche Abneigung. «Programmatisch sind wir bei Jamaika wirklich sehr weit von der FDP entfernt», gibt Spitzenkandidatin Maike Schaefer zu bedenken. Als Beispiele nennt sie: Verkehrspolitik, Klimapolitik, nachhaltiges Wirtschaften.

«Wir wollen die autofreie Innenstadt bis 2030», erinnerte die 47-jährige Biologin und Grünen-Fraktionschefin an eine Forderung. Solche und andere Ziele mit der FDP per Koalitionsvertrag zu vereinbaren, das dürfte viel Verhandlungsgeschick brauchen. Mit der SPD regierten die Grünen zwölf Jahre und drei Legislaturperioden lang. Aus dieser Zeit ging die Partei gestärkt hervor, während für die Sozialdemokraten am Sonntag der Wahl-Alptraum wahr wurde.

Der stolze rote Stadtstaat von Wilhelm Kaisen, Hans Koschnick und Hennig Scherf - er droht den seit über 70 Jahren regierenden Genossen zu entgleiten. Schifffahrt, Häfen, Werften, Autoindustrie - Bremen war Jahrzehnte traditionell rot gefärbt und ist bis heute ein wichtiger Industriestandort. Unter Koschnick regierte die SPD in den 1970er und 1980er lange mit absoluter Mehrheit. Tempi passati.

«Das ist nun was ganz Neues», sagte Henning Scherf nach der Wahl im Fernsehen. Er führte als SPD-Bürgermeister von 1995 bis 2005 eine grosse Koalition in Bremen. «Wir hatten uns gewöhnt, ein solides festes Zustimmungspotenzial zu haben. Das ist jetzt dahingeschmolzen. Das ist Demokratie.» Aber der Elder Statesman sieht keinen Grund zur Panik, auch gehe die Welt nicht unter. Es sei ein Denkzettel.

Der dürfte auch seinem Nach-Nachfolger Carsten Sieling gegolten haben, der am Sonntag das erste Mal als Bürgermeister und Spitzenkandidat angetreten war. Ob er es schafft, die Grünen wieder mit ins Boot zu holen, dürfte sich auch an den Linken entscheiden, die zwar für Rot-Rot-Grün an der Weser bereit stünden. Aber auch hier haben die Grünen Bedenken, vor allem in puncto Finanzpolitik. Es wäre die erste Wahlbeteiligung der Linken in einem westdeutschen Bundesland.

Bei der Grünen-Wahlparty gab es am Sonntag zumindest deutlich mehr Applaus für ein Bündnis mit SPD und Linken. Und auch die Genossen waren bei allem Kummer erleichtert, dass es nicht noch schlimmer kam und es eine Chance auf Verbleib im Rathaus gibt, wo seit über 70 Jahren jeder Bürgermeister das SPD-Parteibuch hatte.

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