Rüpel-Autofahrer stressen Kinder im Verkehr
Die Stadtpolizei Uster ZH schärft Autofahrern richtiges Verhalten gegenüber Kindern ein. Eltern sind froh, da sie oft um ihre Kinder Angst haben.

Das Wichtigste in Kürze
- «Die meisten Autos rollen weiter und wir werden beschimpft und angehupt», so eine Mutter.
- Die Stadtpolizei Uster fordert mehr Verständnis von Autofahrenden für Kinder.
- Der Verein Fussverkehr Schweiz bemerkt aber noch ein anderes Problem.
Autofahrende sind für Eltern zu rollenden Schrecken geworden. Ein Vater aus Zürich begleitet seine Kindergartenkinder täglich. «Nur wegen den Autofahrer*innen, welche täglich NICHT anhalten, obwohl wir am Streifen stehen», schimpft er auf Facebook.
Eine ähnliche Erfahrung teilt eine Mutter. Sie müsse sich ständig aufregen, wenn sie mit ihrem Kind auf der Strasse sei. «Die meisten Autos rollen weiter und wir werden beschimpft und angehupt.»
Gewisse Fahrer verstehen laut der Mutter einfach nicht, dass die Kinder sich an den Rädern orientieren. «Es ist jeden Tag ein Kampf.»
Eine Mutter berichtet, mit ihrer Tochter gerade Fahrradfahren zu üben. «Leider werden wir dabei fast immer angehupt und sogar beschimpft», schreibt sie. Ehrlich gesagt habe sie mittlerweile mehr Vertrauen in ihre dreijährige Tochter als in manche Autofahrende.
«Empathie fehlt»
Dankbar zeigen sich die Eltern über das Eingreifen der Polizei. Die Stadtpolizei Uster hat das ruppige Verhalten zu einem offiziellen Appell veranlasst. «Fluchen, Hupen, Gestikulieren oder Heranrollen bringt nichts», stellt sie in einem Facebook-Post klar. Kinder brauchten Zeit und Sicherheit, um Strassen zu überqueren.
Kürzlich führte die Polizei mit Kindergärtlern in Uster eine Verkehrsinstruktion durch. «Oftmals mussten wir die motorisierten Verkehrsteilnehmenden mehr belehren als die Kinder», so das Fazit.
Enis Feratovic ist Dienstchef Fachdienst bei der Stadtpolizei Uster. «Bei einigen Lenkerinnen und Lenkern fehlt die Empathie gegenüber Kindern», sagt er zu Nau.ch.
Kein richtiger Stopp
Die kleinen Verkehrsteilnehmenden brauchen laut Feratovic mehr Zeit, um eine Strasse zu überqueren. Zudem werde ihnen beigebracht, dass sie erst bei stehendem Rad loslaufen sollten. «Bei Autofahrern ist die Geduld dafür stellenweise nicht da.»
Die Polizei beobachtet bei Lenkerinnen und Lenkern eine neue Unart. «Vor dem Fussgängerstreifen rollen sie weiter, anstatt anzuhalten», sagt Feratovic. Dies verunsichere Kinder, weshalb sie die Strasse nicht überquerten.
«Die Personen am Steuer werden dann ungeduldig.» Sie fluchten und hupten. «Auch fordern sie Kinder genervt mit Handzeichen zum Vorwärtsmachen auf.»
Feratovic vermutet, dass der zunehmend dichte Verkehr und der Termindruck die Autofahrenden stresst. «Steht dann noch ein ‹langsames› beziehungsweise ‹verunsichertes› Kind am Fussgängerstreifen, reisst der Geduldsfaden wahrscheinlich schneller.»
800 verunfallte Kinder pro Jahr
Unfälle mit Kindern sorgen regelmässig für Schlagzeilen. Im April erfasst ein Lenker auf einer Quartierstrasse einen zweijährigen Buben in Stetten AG. Noch auf der Unfallstelle erliegt er seinen schweren Verletzungen.
Auch tragisch endet ein Unfall Ende April in Trimbach SO. Als ein neunjähriger Bub mit einem Trottinett eine Strasse überqueren will, stösst er mit einem Auto zusammen. Er wird erheblich verletzt.
Fast 800 Kinder bis 14 Jahre verunfallen jährlich zu Fuss, mit dem Trottinett oder auf dem Velo. Rund ein Drittel der Unfälle passieren laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) auf dem Schulweg.
Die BFU erinnert daran, dass Autos, Töff, Velos oder E-Bikes komplett anhalten sollen, will jemand den Fussgängerstreifen überqueren. «Dies ist vor allem für Kinder und ältere Menschen wichtig.»
«Weniger im öffentlichen Raum unterwegs»
Auch der Verein Fussverkehr Schweiz stellt fest, dass die Geduld am Steuer schnell verloren geht.
«Das hat mit der allgemeinen Hektik im Verkehr zu tun», sagt Pascal Regli zu Nau.ch. Er ist Geschäftsleiter von Fussverkehr Schweiz. Der Verkehr habe in den letzten Jahren weiter zugenommen. «Und alles, was einem im Weg steht, stört den gestressten Tagesablauf.»
Regli stellt aber auch fest, dass Mädchen und Buben im Verkehr weniger gewandt sind als früher. «Heute ist ein Kind weniger im öffentlichen Raum unterwegs als noch vor 20 Jahren.» Viele Kinder verbrächten ihre Freizeit zu Hause an einem digitalen Gerät.
Kritik an Freizeitaktivitäten
Gleichzeitig werden Kinder laut Regli zunehmend herumchauffiert oder von Erwachsenen begleitet. «Die Freizeit von Kindern ist heute stark fremdbestimmt und findet an veranstaltenden Orten statt.» Als Beispiel nennt er Spielplätze, die Kinder nur in Begleitung erreichen können.
«Je weniger man die Kinder alleine draussen spielen lässt, desto weniger lernen sie, selbständig zu agieren.» In der Folge seien sie weniger geübt im Strassenverkehr. Dies führe etwa dazu, dass ein Kind aus Unsicherheit überfordert sei, eine Strasse am Fussgängerstreifen zu queren.