Langen Boom auf dem Immobilien-Markt bremsen die steigenden Zinsen kräftig aus. Der stärkste Rückgang seit 2007 verzeichneten die Preise für Wohnimmobilien.
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Häuser in Berlin-Mitte. Foto: Christoph Soeder/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Anstieg der Zinsen und die hohe Inflation stoppen den Immobilienboom in Deutschland.
  • Laut dem Bundesamt verbilligten sich Wohnimmobilien im Vergleich zum Vorjahresquartal.

Ein jähes Ende wurde dem langen Immobilienboom in Deutschland gesetzt. Der Grund dafür war nicht nur die hohe Inflation, sondern auch der Anstieg der Zinsen.

So stark wie seit 16 Jahren nicht mehr verbilligten sich die Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im Schlussquartal 2022. In Wiesbaden teilte dies das Statistische Bundesamt mit. Dieses Jahr erwarten Expertinnen und Experten eine Fortsetzung des Preisrückgangs.

Wohnimmobilien verbilligten sich laut Bundesamt im vierten Quartal durchschnittlich um 3,6 Prozent zum Vorjahresquartal. Es war der erste Preisrückgang binnen Jahresfrist seit Ende 2010. Stärker seien die Preise zuletzt im ersten Quartal 2007 gesunken, mit minus 3,8 Prozent gemessen am ersten Quartal 2006. Das schrieben die Statistikerinnen und Statistiker.

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Der Anstieg der Zinsen und die hohe Inflation stoppen den Immobilienboom in Deutschland. Foto: Christoph Soeder/dpa - dpa-infocom GmbH

«Ausschlaggebend für den Rückgang der Kaufpreise dürfte eine gesunkene Nachfrage infolge gestiegener Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation sein.» Gegenüber dem dritten Quartal 2022 war der Preisrückgang zum Jahresende mit minus 5,0 Prozent noch deutlicher. Das war mehr als von Fachleuten erwartet.

Rückgang sogar in Metropolen

Sowohl in den Städten als auch in ländlichen Regionen gab es im Schlussquartal 2022 grösstenteils Preisrückgänge. Dabei verbilligten sich Ein- und Zweifamilienhäuser stärker als Eigentumswohnungen.

So fielen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in kreisfreien Grossstädten um 5,9 Prozent zum Vorjahresquartal. Während die Preise für Eigentumswohnungen um 1,0 Prozent sanken. In dünn besiedelten ländlichen Kreisen waren Häuser 5,5 Prozent günstiger, Eigentumswohnungen dagegen leicht teurer.

Selbst in den begehrten sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf fielen die Preise im Schnitt: Für Ein- und Zweifamilienhäuser musste 2,9 Prozent weniger bezahlt werden, für Wohnungen 1,6 Prozent weniger als vor einem Jahr.

Mit den Zahlen wird die Trendwende am Häusermarkt deutlich. Nachdem der lange Immobilienboom seit 2010 die Preise immer höher getrieben hatte.

Im Gesamtjahr 2022 verteuerten sich Wohnimmobilien wegen der Zuwächse in den ersten drei Quartalen. Dabei ging es um 5,3 Prozent zum Vorjahr. 2021 war das Plus aber mit 11,5 mehr als doppelt so gross gewesen.

Warum sinken die Preise?

Grund für das Ende des Booms sind die Leitzinserhöhungen der grossen Notenbanken im Kampf gegen die hohe Inflation. Diese wirkt sich auch bei den Bauzinsen aus. Die Zinsen haben bei Krediten mit zehnjähriger Zinsbindung binnen eines Jahres von knapp einem Prozent auf fast vier Prozent vervierfacht.

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Wirtschaftsweiser Wieland kritisiert EZB für Absage an Zinserhöhung. - AFP

Das führt dazu, dass die Monatsraten für Zinsen und Tilgung um Hunderte Euro höher liegen als zuvor. Der Immobilienkauf ist daher für viele Menschen nicht mehr leistbar. Ohnehin ist wegen der Inflation das Geld bei vielen Menschen knapp, und Banken prüfen Finanzierungen kritischer. Makler berichten von viel weniger Anfragen für Immobilien als früher.

Der Anstieg der Zinsen hat auch zu einem Einbruch im Geschäft mit Baufinanzierungen geführt. Im Januar lag das Neugeschäft inklusive Verlängerungen laut Bundesbank bei 12,7 Milliarden Euro. Das ist fast die Hälfte weniger als im Vorjahresmonat.

«Bei Kapitalanlegern ist das Interesse an Immobilieninvestments gesunken, bei Eigennutzern die finanzielle Machbarkeit.» Das sagte Michael Neumann, Chef beim Kreditvermittler Dr. Klein, kürzlich.

Wie lange hält die Situation an?

Fachleuten zufolge dürfte sich der Trend sinkender Immobilienpreise fortsetzen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält dieses Jahr einen Rückgang um bis zu zehn Prozent für möglich. Die DZ Bank erwartet Nachlässe von vier bis sechs Prozent.

Unstrittig ist, dass der Immobilienmarkt zuletzt überhitzt war. Ende 2022 lagen die Immobilienpreise in den Städten um 20 bis 45 Prozent über dem gerechtfertigten Niveau. Das berechnete die Bundesbank.

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Preise von Immobilien steigen an. - dpa

Experten bezweifeln aber, dass Deutschland vor dem Platzen einer Immobilienblase steht. Der Wohnungsmarkt gilt als robust, selbst in Wirtschaftskrisen, denn Immobilien werden oft konservativ und langfristig finanziert. Wenn die Preise über längeren Zeitraum um 15 Prozent nachgäben, stünde der Markt auf dem Niveau von Anfang 2020. Dies sagte Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer beim Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), kürzlich.

Zugleich lag die Zuwanderung nach Deutschland auch im Zuge des Ukraine-Kriegs auf Rekordniveau. Der Bedarf an Wohnungen dürfte daher weiter zunehmen, erklärte Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). «Die Preisrückgänge werden moderat bleiben», erwartet er.

Niedrige Zinsen und teure Materialien fordern Baubranche heraus

Dazu kommt, dass Wohnungen knapp bleiben, denn der Baubranche machen niedrige Zinsen und teure Materialien zu schaffen. Im Januar brach der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe weiter ein, vor allem der schwache Neubau belastet. Das dürfte die Immobilienpreise stützen.

Die Bundesregierung hat ihr Ziel von 400'000 neuen Wohnungen jährlich kassiert. Der Bauverband ZDB rechnet mit 280'000 fertigen Wohnungen 2022 und einem Rückgang auf 245'000 dieses Jahr.

Seit Monaten beobachtet das Ifo-Institut eine Stornierungswelle im Wohnungsbau. Im Februar waren gut 14 Prozent der Baufirmen von Absagen betroffen. Die Ifo-Forscher schrieben: «Im Wohnungsbau geht die Angst um.»

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