Mit einem GPS-Sender läuft eine Gazelle in fünf Jahren 18'000 Kilometer durch die mongolische Steppe – umgerechnet eine halbe Erdumrundung.
Eine Gruppe von mongolischen Gazellen. Eine Gazelle hat rechnerisch in fünf Jahren den halben Erdball umrundet. Foto: Ariunbaatar/dpa
Eine Gruppe von mongolischen Gazellen. Eine Gazelle hat rechnerisch in fünf Jahren den halben Erdball umrundet. Foto: Ariunbaatar/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Forschende haben Gazellen in der Mongolei mit GPS-Sendern ausgestattet.
  • Eine der Gazellen konnten sie fünf Jahre beobachten.
  • Das Tier legte 18'000 Kilometer zurück – umgerechnet eine halbe Erdumrundung.
  • Die Studie verdeutlicht, wie wichtig durchlässige Landschaften sind.

Wissenschaftler des Frankfurter Senckenberg-Instituts und der Wildlife Conservation Society haben in der Mongolei 15 Gazellen mit GPS-Sendern ausgestattet.

«Einer dieser Sender hat mit fünf Jahren ungewöhnlich lange gehalten.» berichtete Thomas Müller vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum am Mittwoch. «So konnten wir die Wanderungen der Gazelle über einen grossen Teil ihres Lebens verfolgen.»

Eine abenteuerliche Reise

Insgesamt legte die Gazelle binnen fünf Jahren mehr als 18'000 Kilometer zurück. Das entspricht einer halben Erdumrundung. Die Mongolische Gazellen schliessen sich meist in Gruppen zusammen.

Daher gehen die Forschenden davon aus, dass es sich bei der beeindruckenden Strecke nicht um einen Einzelfall handelt. Über den Weg der Gazelle berichten die Forscher im Fachjournal «Ecology».

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Das grosse Gobi-B-Schutzgebiet im Südwesten der Mongolei an der Grenze zu China. (EPA/Fillip Singer) - Keystone

Der Weg der Gazelle lese sich «wie ein abenteuerlicher Reisebericht», hiess es von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Das Tier durchquerte die östliche Mongolei mehrfach von Norden nach Süden, lief über schneebedeckte Hügel und durch tosende Flüsse. Die Route sei nicht nur aufgrund der grossen Distanz aussergewöhnlich, erklärte Erstautorin Nandintsetseg Deji. «Sondern auch, weil sich die Gazelle häufig über Hunderte von Kilometern in unbekannte Regionen wagte».

Im ersten Jahr hielt sich das Tier überwiegend im Gebiet auf, wo die Forschenden ihm 2014 den Sender umgelegt hatten. Im November 2015 trat die Gazelle dann – zunächst ohne ersichtlichen Grund – ihre Reise nach Norden an. Sie überquerte zwei grosse zugefrorene Flüsse, bis sie nach etwa 900 Kilometern ein schneefreies Gebiet nahe der russischen Grenze erreichte.

Pause zum Kalben eingelegt

Im darauffolgenden Frühjahr ging es wieder zurück Richtung Süden, wo ihr die Überquerung zweier nun wasserführender Flüsse einige Schwierigkeiten bereitete. Dabei verfolgte das Tier weder die ursprüngliche Route zurück, noch pausierte es auf dem Breitengrad, von dem es kam. Stattdessen legte die Gazelle zum Kalben im Sommer eine kurze Pause in einem Schutzgebiet ein.

Anschliessend setzte die Gazelle ihre Reise nach Süden fort, bis sie schliesslich im Dezember 2016 die Grenze zu China erreichte. Anstatt in das vorherige Winterquartier zurückzukehren, überwinterte das Weibchen im Süden – 440 Kilometer Luftlinie vom Winterquartier des Vorjahres entfernt.

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Ein Nomadenhirte reitet durch das grosse Gobi-B-Schutzgebiet im Südwesten der Mongolei. (EPA(Filip Sänger) - Keystone

Im Frühling 2017 zog sie wieder nach Norden, im Frühjahr 2018 wieder nach Süden. Im Herbst 2018 wagte sie sich erneut in unbekanntes Terrain: Diesmal zog sie 90 Kilometer entlang des Grenzzauns zu China. Danach machte sie eine mehr als 400 Kilometer lange Schleife im südlichen Teil der Steppe.

Anfang 2019 kehrte sie in das Überwinterungsgebiet zurück. Dort wurde sie ein Jahr lang «recht sesshaft», bis das GPS-Gerät im August 2019 ihren Tod übermittelte. «Das Halsband der Gazelle wurde in der Jurte eines Hirten gefunden. Dieser berichtete, dass die Gazelle offenbar an einem Madenbefall an ihrer Hüfte gestorben war», berichtete die Senckenberg-Gesellschaft.

Die Studie zur Reise der Gazelle verdeutliche, wie wichtig es für nomadisierende Huftiere ist, durchlässige Landschaften zu erhalten. So bilanzieren es die Forscher. Das ermögliche den Tieren, Nahrung zu finden und lokalen Extremereignissen zu entgehen. Müller ist der Ansicht, «dass es keine unüberwindbaren Barrieren geben sollte.

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