Ein internationales Wissenschaftler-Team hat vor weltweit im Gletschereis eingeschlossenen radioaktiven Partikeln gewarnt, die durch die Schmelze freigesetzt werden könnten.
Atomreaktor in Tschernobyl
Die Anlage in Tschernobyl von aussen. - AFP/Archiv
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Partikel aus Reaktorkatastrophen könnten ins Trinkwasser gelangen.

Die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima sowie Atomwaffentests hätten in den Gletschern der Alpen, dem Kaukasus, der Arktis, der Antarktis, in Kanada und auf Island radioaktive Spuren hinterlassen, sagte die britische Forscherin Caroline Clason am Mittwoch in Wien. Angesichts der durch den Klimawandel schmelzenden Gletscher sitze die Menschheit auf einer tickenden Zeitbombe.

Clason und ihre Kollegen untersuchten 17 verschiedene kontaminierte Standorte. Die radioaktive Konzentration habe dort «die höchsten Level erreicht, die man in der Natur ausserhalb nuklearer Sperrzonen findet», berichtete die Forscherin nun bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien.

Wenn radioaktives Material freigesetzt wird, steigt es in die Atmosphäre auf und fällt mit dem Regen wieder auf die Erde. Pflanzen und das Erdreich nehmen Teile der Partikel auf, die nuklearen Bestandteile werden erst nach und nach ausgewaschen. Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl beispielsweise ging 1986 wochenlang radioaktiver Regen über Nordeuropa nieder.

Radioaktiv verseuchter Schnee hingegen setzt sich über Jahrzehnte im Gletschereis fest. Durch die Schmelze gelangt das radioaktive Material laut Clason dann in Bäche und Flüsse. Wie sich das auf die Natur auswirkt, zeigt sich nach ihren Angaben unter anderem in Schweden: Wildschwein-Fleisch in dem skandinavischen Land enthält seit einigen Jahren zehnmal höhere Mengen an Caesium, als für den Menschen sicher wäre.

Besonders die seit den 50er Jahren betriebenen Atomwaffentests könnten laut den Wissenschaftlern langfristig ungeahnte Bedrohungspotentiale entfalten. Denn bei ihnen wurde Plutonium freigesetzt, das eine Halbwertszeit von 14 Jahren aufweist und zum hochgefährlichen Americium wird, wenn es zerfällt.

Americium hat eine Halbwertszeit von 400 Jahren, ist in der Umwelt leicht löslich und gibt starke Alpha-Strahlung ab. Somit sei es besonders dazu geeignet, «in die Nahrungskette zu gelangen», warnte Clason. «Unser nukleares Erbe ist noch nicht verschwunden.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

UmweltKlimawandelFukushima