Europa-Park führt nach Entführung von Mädchen (6) neue Regeln ein
Ein Kind wurde aus dem Wasserpark Rulantica entführt. Nun ergreift der Europa-Park Massnahmen. Zu dürftig, finden einige. Der Experte erklärt, was Sinn macht.

Das Wichtigste in Kürze
- Tragischer Vorfall im Erlebnisbad Rulantica. Ein Mädchen wird entführt und missbraucht.
- Der Europa-Park in Rust, zu dem das Bad gehört, handelt nun.
- Die neuen Regeln würden nichts bringen, kritisieren Park-Fans.
- Der Kriminologe verteidigt den Park: Eltern tragen die Hauptverantwortung.
Es sind die Tage im Jahr, auf die sich Kinder – und auch Erwachsene – meist schon lange im Voraus freuen: Ein Besuch im Europa-Park in Rust (D) oder im Wasserpark Rulantica, ebenfalls ein Produkt der Unternehmerfamilie Mack.
Denn der Europa-Park steht seit vielen Jahren für Vergnügen mit Qualität. Für eine Familie mit einem sechsjährigen Mädchen wurde der Besuch des Erlebnisbads Rulantica im August nun aber zum Horror-Erlebnis.
Als das Kind plötzlich seine Eltern nicht mehr fand, bot ihm ein 31-jähriger Rumäne Hilfe an. Er lockte das Mädchen nach draussen und von dort in einen Wald in der Nähe des Parks. Dort zwang der Mann das Kind, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen.
Später wurde er in Rumänien verhaftet und in Auslieferungshaft gesetzt.
Der Europa-Park reagiert nun auf den Vorfall, wie er auf Anfrage von Nau.ch bestätigt. Und zwar auf drei verschiedenen Ebenen.
Eltern an Aufsichtspflicht erinnern
Einerseits hat er die Verhaltensregeln für Rulantica angepasst. Dort heisst es nun auf einem Flyer zuoberst und gut sichtbar: «Sicherheit geht uns alle an.»
Und weiter: «Als Eltern, beziehungsweise Begleitpersonen tragen Sie während Ihres Besuchs in Rulantica die Verantwortung und haben die Aufsichtspflicht für Ihre Kinder.»
Zudem sollten die Eltern immer in Sichtweite ihrer Kinder bleiben sowie mit ihnen einen Treffpunkt vereinbaren, sollte man sich aus den Augen verlieren.
Die Eltern können zudem gemäss Medienstelle ein Armband für die Kinder anfordern, das mit der Telefonnummer der Eltern versehen wird. Damit ein Kontakt hergestellt werden kann, sollte das Kind verloren gehen.

Diese Massnahme wird in einer Europa-Park-Fangruppe auf Facebook kritisiert. Sie sei «ein Witz», heisst es dort. Denn ein Entführer werde wohl kaum die Eltern anrufen wollen.
Andere wiederum verteidigen den Park: Immerhin werde etwas unternommen. Und es sei an den Eltern, für die Sicherheit ihrer Kinder zu sorgen, so der Tenor.
Dass der Europa-Park aktiv wird, kann Kriminologe Dirk Baier nachvollziehen. «Nach so einem Vorfall nichts zu machen, würde dem Ansehen des Parks sicherlich schaden.»
Ein Band mit einer Telefonnummer werde aber keine Entführung verhindern. «Erstens deshalb nicht, weil es sich um ein so extrem seltenes Delikt handelt, welches wohl eh nicht mehr im selben Park auftreten wird. Zweitens aber auch deshalb, weil sich eine Tatperson davon nicht abhalten lässt.»
«Hinschauen ist wichtig, um Gewalt zu verhindern»
Er findet Sicherheitsmassnahmen wie das Erhöhen der Awareness hingegen richtig: «Dies betrifft die Aufmerksamkeit der Eltern für die Kinder, denn es ist richtig, dass Eltern die Hauptverantwortung tragen», so Baier.
Dies betreffe aber letztlich alle Bad- oder Parkbesucher, die auch eine Kontrollfunktion haben. «Aufeinander aufpassen und hinschauen, ist wichtig, um Gewalt zu verhindern.»
Jenseits davon habe ein Bad oder Park kaum Möglichkeiten, um ganz spezifische Straftaten zu verhindern. Denn hierfür müsse man mit Präventionsstrategien auf die Täter fokussieren, was nicht Aufgabe solcher Parks sei.
Neue Eingangs-Kontrolle bei Rulantica geplant
Doch der Europa-Park geht aufgrund des Vorfalls im August noch weiter und führt beim Erlebnisbad Rulantica «erweiterte Kontrollmechanismen beim Ein- und Auslass» ein.
Hier «laufe die (technische) Umsetzung», heisst es beim Park auf Anfrage. «Wir informieren, sobald die Massnahme aktiv ist.»
Kriminologe und Soziologe Dirk Baier würde so oder so eher auf kommunikative als auf technische Kontrolle setzen.
«Aus der Forschung wissen wir, dass elterliches Monitoring ein Schutzfaktor für Opfer- wie Täterschaften im Kindes- und Jugendalter ist.» Damit sei aber nicht gemeint, dass Eltern ihre Kinder chippen und ihre Bewegungen auf Schritt und Tritt kontrollieren.

«Es ist gemeint, dass Eltern grundsätzlich wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten, wie sie ihre Freizeit verbringen, mit wem sie dabei zusammen sind. Es geht also um ein Interesse am Kind», führt Baier aus.
Jenseits davon brauche es immer auch Freiräume in der kindlichen Entwicklung und das Vertrauen der Eltern in das Kind. Überbehütung sei hier schädlich. Aber er sei selbst Vater und wisse natürlich, welche Sorgen sich Eltern machen würden.
Seine Tipps: Junge Kinder engmaschig im Blick behalten und frühzeitig für die Gefahren in der Welt fit machen. «Die Hauptgefahr im Erlebnisbad ist dabei das Ertrinken, nicht das Entführen.»

Mit acht, neun Jahren könne man dem Kind immer mehr Freiheiten geben. Sollte aber mit ihm im intensiven Austausch über die Erlebnisse des Tages sein. «Diese Form der kommunikativen Kontrolle ist besser als die der technischen Kontrolle.»
Gefahr im Internet grösser
Zudem sei es wichtig, sich immer zu vergegenwärtigen, dass die Gesellschaften prinzipiell friedlicher, nicht krimineller werden – zumindest bei den meisten Delikten. «Man muss sich selbst und dem Kind damit nicht Angst machen, dass es entführt wird.»
Die Gefahr, im Internet und in den Sozialen Medien mit Gefahren konfrontiert zu werden, sei deutlich höher. Auch dabei gilt: Nicht Angst machen, sondern mit dem Kind im Gespräch bleiben, sich austauschen über das Erleben.















