Friedrich Dürrenmatt, einer der ganz Grossen der deutschsprachigen Literatur: Im Dezember jährt sich sein 30. Todestag, im Januar sein 100. Geburtstag. Die Schweiz feiert ihren Schriftsteller und Maler.
Friedrich Dürrenmatt
Friedrich Dürrenmatt (l) seine Ehefrau Lotti und der Schauspieler O.E. Hasse bei einem Treffen 1960 in Berlin. Foto: -/dpa - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Schweizer Schriftsteller und Maler Friedrich Dürrenmatt war einmal in Berlin bei einer Podiumsdiskussion.

Ein Zuschauer störte sich wohl am Schweizer Akzent in Dürrenmatts Deutsch und meinte irrtümlich, das sei Schweizerdeutsch.

Ob er nicht Hochdeutsch sprechen könne, fragte er. Darauf Dürrenmatt: «Ich kann nicht höher.»

Es ist eine der vielen Anekdoten aus einer neuen Biografie von Ulrich Weber, der den Dürrenmatt-Nachlass im schweizerischen Literaturarchiv betreut. Sie ist jetzt erschienen, vor dem 30. Todestag (14. Dezember) und dem 100. Geburtstag (5. Januar 2021) des Künstlers.

Ein willkommenes Buch, denn vielen Menschen ist das «Erzählgenie» («Neue Zürcher Zeitung») ein Rätsel geblieben. Dürrenmatt mochte das Vollkommene nicht und blieb gern im Fragmentierten. «Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen» hiess etwa eine erste Biografie von Peter Rüedi, die noch dazu erst 2011, mehr als 20 Jahre nach seinem Tod, erschien. Rüedi schrieb jetzt in der Wochenzeitung «Weltwoche»: «Sein Leben können wir als eine bewegende Folge von Krisen und Auferstehungen lesen, mit dem Titel seines allerersten, nie gespielten Stücks: «Untergang und neues Leben».»

Dürrenmatt schuf 1956 mit dem Theaterstück «Der Besuch der alten Dame» über Abgründe der menschlichen Versuchung einen Klassiker der Weltliteratur. Es folgten 1962 «Die Physiker» über die Ethik der Wissenschaft, beides bis heute vielerorts Pflichtlektüre in der Schule. Dürrenmatt schrieb Kriminalromane («Der Richter und sein Henker», «Der Verdacht»), Erzählungen, Theaterstücke und Essays, wurde in 40 Sprachen übersetzt und erzielte Millionenauflagen.

Dürrenmatt wurde 1986 mit dem renommierten Büchner-Preis ausgezeichnet. «Seine Erzählungen, Essays und Theaterstücke, die Mythologie, Wissenschaft und Philosophie umspannen, stellen sich den grossen Fragen der Gegenwart mit weitem historischen Horizont, mit exakter Fantasie, mit Weisheit und Witz», meinte die Jury damals.

Weber erzählt in der neuen Biografie auf 750 Seiten «von den vielen kleinen und grossen Brüchen in seinem Leben, die ihn zwangen, sich immer wieder neu zu erfinden», so der Verlag Diogenes. Er wertete dafür unter anderem sehr intime und bislang unveröffentlichte Briefe Dürrenmatts an seine erste Frau Lotti Geissler aus.

Diogenes wartet aber im Dezember noch mit einer weiteren Perle auf: dem «Stoffe-Projekt». Der Verlag verspricht in fünf Bänden teils unveröffentlichte Texte und Fragmente, und damit einen Einblick in Dürrenmatts Spätwerk. Zudem legt er Dürrenmatts Werkausgabe mit 37 Bänden in revidierter und neuer Ausstattung auf.

Dürrenmatt lebte bis zu seinem Tod 1990 fast 40 Jahre in Neuchâtel in der Westschweiz. Seine Malerei in Beziehung zum Werk zu setzen, ist eine der Aufgaben des dortigen Centre Dürrenmatt, wie die Leiterin Madeleine Betschart sagt. Das Museum plant allerlei, darunter zuerst die Ausstellung «Dürrenmatt und die Schweiz» (17.1. bis 2.5.2021), in der es das Verhältnis des Pfarrerssohns zur Heimat in seinem literarischen und malerischen Werk beleuchtet: «Distanziert und engagiert zugleich, kritisch und mahnend, zuweilen auch verständnisvoll, aber nie: neutral», wie das Museum schreibt.

Dann folgt «Friedrich Dürrenmatt und die Welt» (15.5 bis 5.9.2021). In seinen Bildern und Geschichten zur Schöpfungsgeschichte, der Theorie des Urknalls, dem Turmbau zu Babel oder der Möglichkeit einer Apokalypse werfe Dürrenmatt «grundlegende Fragen zu Verantwortung und Freiheit des Menschen» auf, schreiben die Veranstalter. Sie seien mit dem heutigen ökologischen Bewusstsein hoch aktuell.

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