Die Entscheidung zwischen Robert Habeck und Annalena Baerbock ist gefallen: Annalena Baerbock wird die Kanzlerkandidatin der Grünen.
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Die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, trägt einen Gesichtsschutz, nachdem sie sich als Kanzlerkandidatin der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Berlin am 19. April 2021 vorgestellt hat. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Annalena Baerbock kandidiert für die Grünen als deutsche Bundeskanzlerin.
  • Die 40-Jährige wäre die erste grüne Bundeskanzlerin in Bundestag.
  • Die Diskussionen mit Robert Habeck seien emotional gewesen, wie Baerbock erklärte.

Wer die beiden Parteichefs der Partei Bündnis 90/Die Grünen ankommen sah, konnte die Entscheidung schon erahnen. Annalena Baerbock fuhr beim Berliner Veranstaltungszentrum Malzfabrik am Montag im abgedunkelten Bulli mit Polizeieskorte und Leibwächter vor.

Erste grüne Kanzlerkandidatin

Robert Habeck kam allein, zu Fuss und mit Kapuzenpulli unter der dunklen Jacke. Wenig später war es offiziell: Die 40-jährige Baerbock führt ihre Partei als erste grüne Kanzlerkandidatin in den deutschen Bundestagswahlkampf. Die Zustimmung des Bundesparteitags Mitte Juni kann man voraussetzen.

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Annalena Baerbock bei einer Rede in Bielefeld (Archivbild). - dpa

Die Vorstellung der Kandidatin übernahm der Mann, der selbst gern an ihrer Stelle gestanden hätte: «Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen», räumte Habeck (51) freimütig ein.

«Wir haben in den letzten Tagen in vertraulichen, intensiven, offenen, manchmal auch schwierigen Gesprächen miteinander um die beste Lösung gerungen.» Baerbock sagte dazu: «Das ist emotional für beide gewesen.»

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Robert Habeck und Annalena Baerbock - AFP

Der Gegensatz zur deutschen Christdemokratie, der die Grünen das Kanzleramt abjagen wollen, könnte dabei kaum grösser sein. Seit einer Woche streiten Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) um die Kandidatur für das höchste Regierungsamt Deutschlands. Dies, unter Vertiefung manch parteiinterner Gräben.

Grüne predigen neuen Politikstil

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen predigen einen neuen Politikstil. «Ich wollte immer, dass Führung so gelebt wird, dass man aneinander wächst und sich nicht gegenseitig die Beine wegtritt.» Dies sagte Habeck. Darin gründe auch der Erfolg seiner Partei.

Baerbock lobt er als «kämpferische, fokussierte, willensstarke Frau. Die genau weiss, was sie will und die grüne Programmatik in diesem Wahlkampf mit Leidenschaft vertreten wird». Er versprach: «Ich selbst werde mich mit allem, was ich kann, mit voller Kraft, in diesen Wahlkampf werfen.»

Annalena Baerbock
Tag der Entscheidung, Schicksalstag: Annalena Baerbock am Montagmorgen auf dem Weg zur Sitzung des Grünen-Vorstands. Foto: Kay Nietfeld/dpa - dpa-infocom GmbH

Dabei waren grüne Doppelspitzen in der Vergangenheit wahrlich kein Harmoniegarant: Noch die Vorgänger der aktuellen Führung, Cem Özdemir und Simone Peter, lagen häufig über Kreuz, immer wieder gab es Kompetenzgerangel.

Baerbock und Habeck half auch, dass sie nicht als Vertreter der Flügel von sogenannten Realos und Linken ins Amt kamen. Und schliesslich dürften die Umfragewerte von rund 20 Prozent ein Übriges tun, um die Reihen zu schliessen.

Die Grünen könnten bestes Ergebnis verdoppeln

Falls die Unterstützung bis zum 26. September halten sollte, könnten die Grünen ihr bislang bestes Ergebnis vielleicht mehr als verdoppeln. 2009 erreichten sie bei der Bundestagswahl 10,7 Prozent.

Baerbock und Habeck haben eine der wohl härtesten Entscheidungen ihres politischen Lebens ohne offenen Streit miteinander getroffen. Und das nach Worten Baerbocks schon vor Ostern. Dies ist zwar einerseits beachtlich, angesichts ihres immer wieder bekundeten Politikverständnisses aber auch nur konsequent.

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Das Bündnis 90/Die Grünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck. - dpa

Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, habe dabei eine Rolle gespielt, sagte Baerbock, aber: «Viele, viele andere Fragen haben auch eine Rolle gespielt.» Welche das waren, das liess sie unter Verweis auf die Vertraulichkeit der Gespräche im Dunkeln.

Baerbock war noch nie Ministerin

Anders als Habeck, der im nördlichen Bundeslands Schleswig-Holstein mehrere Jahre Umweltminister und Vize-Ministerpräsident war, war Baerbock noch nie Ministerin. Sie versucht erst gar nicht, das Manko wegzureden. «Wenn jetzt Regierungserfahrung das einzige Kriterium wäre, dann könnten wir einfach auch mit der Grossen Koalition weitermachen.»

«Und dafür bringe ich Entschlossenheit, Durchsetzungskraft und einen klaren Kompass und Lernfähigkeit mit. Ich glaube all das, was es für ein solches Amt braucht.»

Robert Habeck
Grünen-Chef Robert Habeck - AFP

Überhaupt trat Baerbock äusserst selbstbewusst auf. Die Frage nach Partnern in einer Regierung mit grüner Beteiligung liess sie wie stets offen. Sie unterstrich aber den Führungsanspruch ihrer Partei: «Wir treten an, um dieses Land an führender Stelle in die Zukunft zu führen, und zwar inhaltlich und personell. Daher kämpfen wir um so viele Prozent, um so viel Vertrauen, wie wir in den nächsten sechs Monaten gewinnen können.»

Das Kanzleramt ist ein ehrgeiziges Ziel

Das Projekt Kanzleramt ist äusserst ehrgeizig für die Partei Bündnis 90/Die Grünen, die derzeit die kleinste Fraktion im Bundestag stellen. Erst einmal hat eine Partei jenseits von CDU/CSU und Sozialdemokraten einen Kanzlerkandidaten aufgestellt: 2002 nominierte die liberale FDP Guido Westerwelle, der 18 Prozent als Wahlziel ausgab. Er trug die Zahl auf Schuhsohlen mit sich herumtrug und am Ende doch nur klägliche 7,4 Prozent holte.

Angela Merkel
Wer wird Angela Merkel als Bundeskanzlerin ersetzten? - Keystone

Im Gegensatz dazu könnten die Grünen heute zur ernsthaften Gefahr für die CDU/CSU werden. «Die Union ist in Reichweite», sagte Habeck.

Klimaschutz beschäftigt die Menschen

Denn das Thema Klimaschutz treibt die Menschen um. Von der Corona-Politik der Regierung und den Affären der Union sind viele ernüchtert. Und selbst CSU-Chef Söder erwartet: «Es wird genau um den Platz eins gehen zwischen Schwarz und Grün, Grün und Schwarz.»

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