Deutsche Bundesregierung zieht Konsequenzen aus Sharmahd-Hinrichtung
Nach der Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd im Iran hat die Deutsche Bundesregierung erste Konsequenzen gezogen. Das Auswärtige Amt bestellte den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ein, um ihm den «scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes» mitzuteilen.
Aussenministerin Baerbock beorderte anschliessend den deutschen Botschafter in Teheran, Markus Potzel, nach Berlin zurück. Weitere Massnahmen behält sich die Bundesregierung ausdrücklich vor. Die deutsch-iranischen Beziehungen haben einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekannt gegeben. Er war im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt worden. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.
Scholz nennt Hinrichtung einen Skandal
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock (Grüne) hatten die Hinrichtung bereits am Montag scharf verurteilt. Scholz nannte sie einen Skandal. Baerbock erklärte, die Tötung «zeigt erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran herrscht». Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht worden, «dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird».
Die ersten Konsequenzen sind jetzt gezogen. Dem Geschäftsträger der Botschaft wurde am Vormittag im Auswärtigen Amt der Unmut der Bundesregierung mitgeteilt. «Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt & behalten uns weitere Massnahmen vor», schrieb das Ministerium auf der Plattform X. Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen.
Deutscher Botschafter protestiert in Teheran
Der deutsche Botschafter Markus Potzel protestierte gleichzeitig beim iranischen Aussenministerium und wurde anschliessend «zu Konsultationen» nach Berlin zurückberufen. Das sind übliche Instrumentarien des diplomatischen Protests. Die nächste Stufe könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. Bereits im vergangenen Jahr wurden nach Verkündung des Urteils zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Irans Regierung tat dasselbe.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch andere EU-Staaten anschliessen, wenn Deutschland zu diesem Instrument greift. Solche konzertierten Aktionen hat es als Massnahme gegen Russland auch schon gegeben. EU-Chefdiplomat Josep Borrell schrieb auf X nur, die EU erwäge «Massnahmen» als Reaktion.
Tochter macht Bundesregierung Vorwürfe – Baerbock telefoniert mit ihr
Sharmahd war im Sommer 2020 unter mysteriösen Umständen während einer Reise aus Dubai in den Iran verschleppt worden; mehrere Berichte sprechen von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst. Seitdem war er in Isolationshaft.
Seine in den USA lebende Tochter Gazelle warf der US-Regierung und der Bundesregierung vor, nichts für die Freilassung ihres Vaters getan zu haben. «Abgesehen davon, dass sie Dich bei jeder Geiselverhandlung im Stich gelassen haben, was haben sie für Dich vorzuweisen?», schrieb sie an ihren Vater gerichtet. «Welchen Beweis haben sie, dass du, Papa, Journalist und Freiheitsverfechter Jamshid Sharmahd, ermordet wurdest? Falls die Nachricht mit konkreten Beweisen bestätigt wird, müssen sie dich sofort nach Hause bringen, damit wir dich in Frieden zur Ruhe legen können.»
Nach dpa-Informationen telefonierte Aussenministerin Baerbock bereits am Montag mit Gazelle Sharmahd. Deutschland hatte in der Vergangenheit die Aufhebung des Urteils gegen Sharmahd gefordert. Irans Justiz verweigerte aber bis zuletzt konsularischen Zugang.
Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover Jahre lang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schliesslich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war. In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe «Tondar» (Donner) aktiv.
Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen – Hinterbliebene hatten Sharmahds Exekution gefordert.
Amnesty fordert Haftbefehle gegen iranische Beamte
Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, «die an den an Jamshid Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!»
Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair – er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.