Deutsche Bahn streicht Züge, um Verspätungsstatistik aufzuhübschen
Weniger Verspätungen – weil Züge gar nicht erst fahren? Die Deutsche Bahn lässt offenbar mit Absicht Verbindungen ausfallen, um die Statistik zu verbessern.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Deutsche Bahn lässt offenbar gezielt Züge ausfallen, um ihre Statistik zu verbessern.
- Ein interner Chat der Disposition zeigt brisante Textnachrichten.
- Grund: Fällt ein Zug aus, zählt er nicht in der Verspätungs-Statistik.
«Zug fällt zur Verbesserung der Statistik ab Köln aus.» Diese Nachricht aus der Verkehrsleitzentrale erschien laut «Spiegel» im internen Chat der Deutschen Bahn. Was auf den ersten Blick wie ein makabrer Scherz wirkt, ist offenbar gelebte Praxis.
Der «Spiegel» hat mit zahlreichen Bahnmitarbeitern gesprochen. Und herausgefunden: Offenbar gehört es zur Normalität, Züge ausfallen zu lassen, um die Verspätungs-Statistik aufzuhübschen.
Die Methode: Hat ein Zug auf seiner Strecke bereits zu viel Verspätung angesammelt, wird er kurzerhand gestrichen. Die offizielle Ansage an die Reisenden: «Ab hier fällt der Zug aus» und eine vage Begründung wie «Kurzfristiger Personalausfall».
Für die Statistik hat das einen klaren Vorteil. Fällt ein Zug nämlich aus, zählt er nicht in der Statistik.
Und die Deutsche Bahn hat allen Grund, die Statistik zu verbessern. Am Dienstag vergangener Woche, betrug die Pünktlichkeitsquote laut Statistik 49,2 Prozent. Pünktlichkeit gilt bei der Deutschen Bahn für Züge mit einer Verspätung von unter sechs Minuten.
Zum Vergleich: Bei der SBB gilt ein Zug mit einer Verspätung unter drei Minuten als pünktlich. Dennoch erzielt das Unternehmen im vergangenen Jahr eine Pünktlichkeits-Quote von 93,2 Prozent.
Zug fährt leer durch die Gegend
Bei so einem taktischen Ausfall lasse die Bahn die Züge danach leer durch die Gegend ans nächste Ziel fahren. Das erzählt ein ranghoher Mitarbeiter aus der Disposition.
Warum der Aufwand? Die Zahlen der Statistik landen auf Pressekonferenzen und bei Aufsichtsräten. Gerade im Fernverkehr, wo die Bahn das Monopol hat, dürften die Zahlen zentral sein. Und halbwegs gute Zahlen wirken besser als reale Verspätungen.
Deutsche Bahn kommt ins Rudern
Auf Anfrage des «Spiegel» kommt die Deutsche Bahn ins Rudern. Sie spricht von «Einzelfällen», bei denen es sinnvoll sei, Fahrten vorzeitig zu beenden. Etwa, um den Umstieg zu erleichtern.
Warum interne Chats dennoch von gezielten Ausfällen «zur Verbesserung der Statistik» sprechen, bleibt unbeantwortet.
Stattdessen heisst es nur: Die Formulierung des betreffenden Mitarbeiters sei «falsch» gewesen – man habe bereits Kontakt mit ihm aufgenommen.