Vier arabische Länder haben zuletzt ihre Beziehungen Israel normalisiert. Aber während in Gaza wieder Bomben fielen, mussten sie sich fragen: Wie scharf kann man den neuen Partner kritisieren?
Der bahrainische Aussenminister Abdullatif bin Rashid Al Zayani (l-r), Israels Premier Benjamin Netanjahu, der damalige US-Präsident Donald Trump und der Aussenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed Al Nahyan, im vergangenen September vor dem Weissen Haus in Washington. Foto: Shealah Craighead/White House/dpa
Der bahrainische Aussenminister Abdullatif bin Rashid Al Zayani (l-r), Israels Premier Benjamin Netanjahu, der damalige US-Präsident Donald Trump und der Aussenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed Al Nahyan, im vergangenen September vor dem Weissen Haus in Washington. Foto: Shealah Craighead/White House/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • An einem sonnigen Tag im September trat der damalige US-Präsident Donald Trump auf den Balkon des Weissen Hauses und kündigte nicht weniger an als den «Beginn eines neuen Nahen Ostens».
Ad

Gemeint waren die von Washington vermittelten, sogenannten Abraham-Abkommen der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains mit Israel über eine Normalisierung ihrer Beziehungen. Laut Trump sollten sie «Grundlage für umfassenden Frieden in der gesamten Region» werden. Bald zogen der Sudan und Marokko mit ähnlichen Abkommen nach.

Acht Monate später - und nach tödlichen Angriffen und Zusammenstössen in Israel, dem Gazastreifen und dem Westjordanland - scheint von dieser Hoffnung nicht viel übrig zu sein. Der erneut eskalierte Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat wieder hohe Wellen geschlagen in der arabischen Welt, vor allem über die Grenzen nach Jordanien, Syrien und zum Libanon. Dort leben nach UN-Angaben insgesamt rund 3,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge.

Die Emirate, Bahrain, Marokko und den Sudan hat der Konflikt in ein neues diplomatisches Dilemma geführt. Einerseits können sie den neuen Dialog mit Israel nicht durch zu scharfe Kritik gefährden. Zugleich können sie ihre lange Unterstützung der Palästinenser nicht einfach aufgeben. Bewohner der Emirate und Bahrains zeigten sich in sozialen Netzwerken rasch solidarisch mit ihren arabischen Schwestern und Brüdern etwa in Ost-Jerusalem, wo palästinensischen Familien im arabischen Viertel Scheich Dscharrah die Zwangsräumung droht.

Vor allem die Emirate und Bahrain stünden jetzt «ziemlich schwach» da, sagt Colin Clarke von der privaten Soufan Group, die weltweit Sicherheitslagen analysiert. «Sie haben den Abkommen zugestimmt, haben aber buchstäblich null Einfluss auf die Israelis. Gleichzeitig ist ihre Kritik an Israel wegen der Abkommen wenig glaubhaft.» Die mit grossen Tönen verkündeten Vereinbarungen seien ohnehin «im Wesentlichen PR» gewesen, sagt Clarke der Deutschen Presse-Agentur.

Entsprechend zurückhaltend wirkte die Rhetorik während der Kämpfe zwischen Israel und der militanten Hamas. Kritik an Israel nach Zusammenstössen vor der Al-Aksa-Moschee seien «selbstverständlich» gewesen, sagt Zaha Hassan vom Thinktank Carnegie der «New York Times» - sie ereigneten sich im Ramadan-Monat an einer der für Muslime heiligsten Stätten. Die Stellungnahme des emiratischen Aussenministers Abdullah bin Sajid etwa, der erst Tage später «alle Parteien» zu einer Feuerpause, dem Beginn eines politischen Dialogs und «höchster Zurückhaltung» aufrief, kam aber gemässigt daher.

Die Abraham-Abkommen - benannt nach dem Stammvater von Juden, Muslimen und Christen - halfen auch kaum weiter, weil die Palästinenserfrage darin bewusst beiseite geschoben worden war. Die Staaten hatten andere Ziele: Bahrain und die Emirate wollten wegen des gemeinsamen Erzfeindes Iran näher an Israel heranrücken. Sie empfinden den wachsenden Einfluss Teherans (sowie auch den der Türkei) in Teilen der arabischen und muslimischen Welt als Bedrohung, ähnlich wie Saudi-Arabien. Israel und die Emirate hatten schon seit Jahren in Sicherheitsfragen verdeckt zusammengearbeitet.

Marokko wiederum wollte seinen Anspruch auf die Westsahara durch die USA anerkennen lassen - im Gegenzug für eine nur schwache Anerkennung Israels. Rabat liess in Israel zwar ein Verbindungsbüro öffnen, eine Botschaft ist aber nicht geplant. Der Sudan wiederum stand unter Druck und stimmte dem Israel-Abkommen vor allem zu, um endlich den US-Sanktionen zu entkommen. Wirtschaftliche Vorteile erhoffen sich alle Beteiligten, sei es durch Investitionen, Handel oder Partnerschaften in Bildung und Wissenschaft. Schon vorher zog es Tausende Touristen etwa aus Tel Aviv nach Dubai oder Marrakesch.

Offiziell haben Israel nach Ägypten (1979) und Jordanien (1994) nun sechs arabische Staaten anerkannt. Weitere Abkommen scheinen vorerst nicht in Sicht. Die vier neuen Länder haben Israel in der Region erstarken und die traditionellen Linien arabischer Länder in Nahost und Nordafrika weiter aufbrechen lassen. Ihr Argument, durch die neuen Abkommen mehr Einfluss auf Israel zu haben, hat sich nicht bewahrheitet. Die jüngste Waffenruhe vermittelte massgeblich Ägypten, das schon 2014 als Mediator aufgetreten war.

Gleichzeitig rücken die arabischen Länder wieder enger zusammen. Die 22 Staaten zählende Arabische Liga forderte den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zuletzt auf, wegen «Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit» gegen Israel zu ermitteln. Es gehe um «seit Jahrzehnten fehlende» Gerechtigkeit.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

WestjordanlandMoscheeRamadanHandelHamasDonald TrumpLiga