Seit Jahrzehnten ist die Bevölkerung in Deutschland überwiegend gewachsen. Doch ersten Schätzungen zufolge stagnieren die Zahlen nun. Welchen Effekt hat dabei die Corona-Pandemie?
Seit drei Jahrzehnten war die Bevölkerung hierzulande überwiegend gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Seit drei Jahrzehnten war die Bevölkerung hierzulande überwiegend gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Foto: Maurizio Gambarini/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bevölkerungszahl in Deutschland ist nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts erstmals seit 2011 nicht gestiegen.

Ende 2020 lebten hierzulande weiterhin um die 83,2 Millionen Menschen.

Aufgrund einer geringeren Zuwanderung und einer gestiegenen Sterbefallzahl bei voraussichtlich etwas weniger Geburten als im Vorjahr sei die Bevölkerungszahl damit konstant geblieben, teilt die Behörde am Dienstag in Wiesbaden mit.

«Der entscheidende Grund liegt im Rückgang bei der Zuwanderung», erklärt Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Wegen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Reiseeinschränkungen seien weniger Geflüchtete, aber auch weniger Arbeitskräfte aus Ost- und Südosteuropa gekommen. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ging 2020 beispielsweise auch die Zahl der Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent zurück.

Insgesamt kommen aber weiterhin mehr Menschen nach Deutschland als wegziehen. Der Wanderungssaldo für 2020 wird auf ein Plus von 180.000 und 240.000 geschätzt, ein Jahr zuvor waren es 327.060. Im Jahr 2015, zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise, war mit rund 1,1 Millionen der Rekordwert erreicht worden.

Und was ergibt sich aus den Daten zu Neugeborenen oder Todesfällen? «Die Zahl der Geburten dürfte 2020 gegenüber dem Vorjahr leicht abgenommen haben und die Zahl der Sterbefälle spürbar gestiegen sein», heisst es beim Statistischen Bundesamt. Ein Grund für die höheren Todeszahlen, besonders gegen Ende des Jahres, sei offenbar auch die Corona-Pandemie, sagt eine Sprecherin der Behörde.

Die Zahl der Neugeborenen für 2020 liegt den Angaben zufolge bei etwa 755.000 bis 775.000. Dagegen wird die Zahl der Gestorbenen auf mindestens 980.000 geschätzt. Daraus ergibt sich ein Geburtendefizit von mindestens 205.000. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor wurden rund 778.090 Babys geboren und rund 939.520 Menschen starben. Das Geburtendefizit lag bei 161.430.

«Bei den Geburten zeichnet sich ein minimaler Rückgang ab, unter anderem weil die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter zurückgeht», sagt Experte Bujard. Sollte es Auswirkungen von Corona auf die Geburtenzahlen geben, würde sich das erst ab Anfang dieses Jahres bemerkbar machen. Für die höheren Todeszahlen sieht Bujard neben Corona noch einen Grund: So würden die geburtenstarken Jahrgänge Ende der 1930er Jahre nun zunehmend in ein Alter kommen, in dem viele sterben.

In Deutschland war die Bevölkerung seit drei Jahrzehnten überwiegend gewachsen, mit Ausnahme der Jahre 1998 sowie 2003 bis 2010. Der Grund dafür liegt in der Einwanderung. Ohne sie würden die Zahlen seit 1972 zurückgehen, da seither jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden. «Die Bevölkerung würde seit fast 50 Jahren schrumpfen, wenn es nicht die Zuwanderung gäbe», betont Bujard.

Das Bundesamt berücksichtigt für seine Berechnungen alle gemeldeten Einwohnerinnen und Einwohner Deutschlands unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

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