Behörden alarmiert: Täglich melden sich 1,5 Millionen Spanier krank
Krankmeldungen sind in Spanien die Norm. 1,55 Millionen Menschen bleiben dem Arbeitsplatz täglich fern. Die Unternehmen ächzen unter der hohen Fehlzeitenquote.

Das Wichtigste in Kürze
- In Spanien melden sich täglich 1,55 Millionen Menschen krank.
- Die Industrie weist mit 7,4 Prozent die höchste sektorale Fehlzeitenquote auf.
- Besonders die Sozialversicherungen sind von den Krankmeldungen der Angestellten betroffen.
Im warmen Bett liegen bleiben, den Tag gemütlich zuhause verbringen. Besonders in den Wintermonaten klingt eine Krankmeldung für viele verlockend.
In Spanien ist das jedoch längst kein Einzelfall mehr. Laut der Personalagentur «Randstad Research» bleiben dort täglich rund 1,55 Millionen Arbeitsplätze leer. Die Arbeitnehmenden sind angeblich alle krank.
Eine einfache Rechnung zeigt das Ausmass: Jeder siebte Erwerbstätige in Spanien meldet sich krank. Damit führt das Land die Rangliste der Fehlzeitenquote innerhalb der EU deutlich an.
Spanische Regierung bittet um Hilfe
Nun schlägt die spanische Regierung Alarm. Und hat sich deshalb sogar an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris gewandt.
Denn die massenhaften Krankmeldungen machen der Wirtschaft zu schaffen. Besonders die Sozialversicherungen – die in Spanien die zentrale Rolle der Finanzierung übernehmen – geraten dadurch unter Druck.
Die OECD soll nun einen Aktionsplan ausarbeiten, um das Problem einzudämmen. Dafür sollen auch die Strategien anderer EU-Staaten analysiert werden, die ähnliche Herausforderungen besser in den Griff bekommen haben.
Der Verband der spanischen Berufsgenossenschaften (Amat) beziffert den volkswirtschaftliche Schaden auf rund 33 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den Zahlen vor zehn Jahren haben sich die Kosten verdreifacht.
Krankmeldungen vor allem im Norden
Daten der spanischen Wirtschaftszeitung «Economia Real» zeigen, in welchen Regionen besonders viele Arbeitnehmer ausfallen.
Auffällig ist: Der Norden Spaniens hat die Nase vorn. In Kantabrien liegt die Fehlzeitenquote bei 9,2 Prozent, auf den Kanarischen Inseln bei 8,8 Prozent.
Besonders betroffen sind Beschäftigte der Post(12,5 Prozent) sowie in der Gebäude- und Gartenpflege (11,5 Prozent). Insgesamt weist die Industrie mit 7,4 Prozent die höchste sektorale Quote auf.
Unternehmen greifen zu drastische Mitteln
Um die massenhaften Abwesenheiten einzudämmen, setzten einige Unternehmen in der Vergangenheit auf harte Kontrollen.
Mit Hausbesuchen bei krankgeschriebenen Arbeitnehmern wollte man den Fehlzeiten entgegenwirken.
Doch der Oberste Gerichtshof Spaniens stoppte die Praxis. Es sei ein unzumutbarer Eingriff in die Privatsphäre der Angestellten, entschieden die Richter.
Mittlerweile haben viele Arbeitgeber eine andere Lösung gefunden. Privatdetektive beobachten die Krankgeschriebenen über mehrere Tage hinweg – auch, um herauszufinden, ob sie währenddessen einer anderen Beschäftigung nachgehen.
Wenn der Nebenjob wichtiger wird
Einen zweiten Job zu haben, ist in Spanien nämlich längst nichts Ungewöhnliches mehr. Der Inhaber einer Detektivagentur in Andalusien erzählt der «NZZ» von einem kuriosen Fall.
Demnach habe man einen krankgeschriebenen Kellner im Friseursalon seiner Freundin erwischt. Den tiefen Löhnen sei es zu verdanken, dass immer mehr Arbeitnehmer versuchen, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen.
Und solche Fälle häufen sich: Gegenüber der Zeitung berichtet der gelernte Kriminologe, dass er von Jahr zu Jahr mehr Arbeit habe.