So machen unsere Altkleider in Indien Menschen schwer krank

Simon Ulrich
Simon Ulrich

Indien,

In Panipat verarbeiten Tausende täglich Müll aus Europa – oft ohne Schutz. Der Preis für billige Recyclingtextilien ist ihre Gesundheit.

Textilrecycling
In Panipat, wo Millionen Tonnen Altkleider recycelt werden, nehmen Meldungen über Lungen- und Hautkrankheiten zu. (Symbolbild) - unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • In Panipat leiden Textilarbeiter unter giftigem Staub, Chemikalien und fehlendem Schutz.
  • Mikroplastik und Schadstoffe belasten Luft, Wasser und das Grundwasser stark.
  • Umweltauflagen werden kaum durchgesetzt, illegale Betriebe kehren oft zurück.

In Panipat, Nordindien, leiden Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter unter gefährlichen Bedingungen in der Textilrecycling-Industrie.

Neerma Devi (27) arbeitet in einer Fabrik, in der täglich Tonnen von Alttextilien zerschnitten, geschreddert und zu Garn verarbeitet werden. Sie stammen aus Europa, Nordamerika und Asien.

Der allgegenwärtige Staub führt bei ihr zu Atemnot, Hautreizungen und chronischem Husten. «Der Arzt sagt, ich sollte diese Arbeit aufgeben. Aber ich kann es mir nicht leisten», sagt sie gegenüber dem «Guardian».

Panipat gilt als «Hauptstadt der Altkleider». Jährlich werden dort rund 1 Million Tonnen Textilabfälle recycelt. In etwa 20'000 Betrieben arbeiten rund 300'000 Menschen. Aus den Fasern entstehen Teppiche, Decken und Kissen für den weltweiten Export.

Mikrofasern bedrohen die Gesundheit

Doch die Arbeit ist gesundheitsschädlich: Die Arbeiter atmen permanent Mikrofasern und Chemikalien ein – häufig ohne Schutzmasken. Laut Programm-Managerin Ina Bharguna von Reverse Resources ist das daraus entstehende Schrott-Garn «nie frei von Mikroplastik»

Internationale Studien zeigen, dass Mikroplastik tief in die Atemwege eindringen und Krankheiten wie Asthma oder COPD verursachen kann.

Devis Schwiegervater leidet an einer fortgeschrittenen Form von COPD – ein typisches Krankheitsbild für ehemalige Textilarbeiter in Panipat.

Auch ihr Ehemann Kailash Kumar, der in derselben Fabrik arbeitet, befürchtet langfristige Schäden: «Es gibt keine Masken, keine Abdeckungen.»

Ein Regierungsarzt, der anonym bleiben möchte, bestätigt: «Die meisten Patienten haben in Textilfabriken gearbeitet. Sie atmen täglich Staub, Fasern und Chemikalien ein.»

Auch Ramesh Chawdhary, leitender Beamter im Arbeitsministerium von Haryana, nennt die Arbeitsbedingungen «unerträglich». Er spricht von häufigen Atemwegserkrankungen, Migräne, Hautinfektionen und sogar Krebs.

Der Fabrikbesitzer hingegen weist gesundheitliche Bedenken zurück: «Es ist nur Staub. Wie soll das etwas Schlimmes verursachen?»

Umweltverschmutzung durch Abwässer und Schwermetalle

Die Umwelt leidet ebenfalls stark. In und um Panipat betreiben etwa 600 registrierte und illegale Färbe- und Bleichbetriebe ihre Arbeit – viele davon ohne Abwasserbehandlung.

Rund 80 Prozent der Abwässer gelangen ungefiltert in die Umwelt, besonders in den Yamuna-Fluss. Messungen ergaben deutlich erhöhte Schadstoffwerte.

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Zudem ist das Grundwasser in vielen Teilen der Region mit Schwermetallen wie Cadmium, Blei oder Nickel belastet. Bewohner wie Hartej Singh berichten von Krankheiten durch verseuchtes Trinkwasser.

Eine Umfrage ergab, dass 93 Prozent der Haushalte nahe der Textilbetriebe in den letzten fünf Jahren ernsthafte Gesundheitsprobleme meldeten. Darunter Bluthochdruck, Hauterkrankungen und Krebs.

Behörden greifen ein – doch meist nur vorübergehend

Umweltschützer Varun Gulati kritisiert gegenüber dem «Guardian» die mangelhafte Durchsetzung von Umweltauflagen: «Abwasserbehandlungsanlagen sind selten, Schliessungen oft nur vorübergehend.»

Zwar ordnete das nationale Umweltgericht im August die Schliessung von 31 illegalen Bleichbetrieben an. Doch laut Gulati erscheinen diese oft unter neuem Namen wieder.

Trotz allem bezeichnete Premierminister Narendra Modi Panipat im März als «globales Zentrum für Textilrecycling».

Für viele wie Neerma Devi bleibt das Überleben jedoch ein täglicher Kampf: «Es macht uns Angst, dass wir enden könnten wie mein Schwiegervater. Aber im Moment gibt es keinen anderen Weg.»

Kommentare

User #6244 (nicht angemeldet)

Das ist in Indien ein kleines Problem. Es gibt viel grössere und keiner schaut hin.

User #3140 (nicht angemeldet)

Mann haben wir keine anderen Sorgen? Früher wurde der Müll im eigenen Land verbrannt. Seitdem man alles recycelt fangen die Probleme erst an.So wird jeder Altkleiderspender zum Mittäter.

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