Nach der Explosionskatastrophe in Beirut hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen die Situation im Libanon mit den humanitären Auswirkungen des libanesischen Bürgerkriegs verglichen.
Ärzte ohne Grenzen
Hafen von Beirut nach den Explosionen. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Hilfsorganisationen warnen vor langfristigen Folgen der Katastrophe in Beirut.

Angesichts der rund 300.000 obdachlos gewordenen Menschen und der Angst vor Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit liege nach der Behandlung der Verletzten die nächste Priorität in der Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Unterkünften für die Bedürftigen, sagte der Präsident von Ärzte ohne Grenzen in Frankreich, Mego Terzian. Mehrere Hilfsorganisationen riefen zu Spenden für den Libanon auf.

«Wir haben während des Libanonkrieges schwierige und ähnliche Erfahrungen gemacht», sagte Terzian der Nachrichtenagentur AFP. Bombenangriffe auf Benzinlager in der Nähe des Hafens während des Krieges von 1975 bis 1990 hätten «ähnliche Szenen hervorgerufen» wie die Explosionen am Dienstag.

In Beirut waren am Dienstagabend 2750 Tonnen beschlagnahmtes und ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen gelagertes Ammoniumnitrat detoniert. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden dabei mindestens 137 Menschen getötet und mehr als 5000 weitere verletzt. Dutzende Menschen werden noch vermisst.

Laut Terzian wurden auch Lagerhallen im Hafen für Medikamente und Impfstoffe bei den Explosionen beschädigt. Auch drei Krankenhäuser im Zentrum Beiruts, darunter eines mit 1100 Betten, wurden beschädigt. «Das grösste Dialysezentrum des Landes wurde vollständig zerstört», sagte Terzian. Die libanesischen Rettungskräfte, insbesondere diejenigen mit Erfahrung aus dem Bürgerkrieg, hätten jedoch gute Arbeit beim Umgang mit den Verletzten in den überlasteten Krankenhäusern geleistet, sagte der Präsident von Ärzte ohne Grenzen.

Die Hilfsorganisationen des Bündnisses Aktion Deutschland Hilft verglichen die Lage in Beirut am Donnerstag mit Bildern, die «wir sonst von grossen Naturkatastrophen kennen». Die Situation der 300.000 obdachlos gewordenen Menschen sei so, «als hätte die gesamte Bevölkerung von Bonn von heute auf morgen kein Dach mehr über dem Kopf», erklärte Geschäftsführerin Manuela Rossbach.

Die Krankenhäuser in der libanesischen Hauptstadt seien - auch wegen der Corona-Pandemie - völlig überlastet und müssten Verletzte zum Teil zurückweisen. Die Helfer vor Ort bemühten sich nach Kräften, die medizinische Versorgung der Verletzten zu bewältigen. Einige Hilfsorganisationen des Bündnisses schickten nach Anfragen aus dem Libanon weitere Helfer aus Deutschland.

Allerdings seien die langfristigen Folgen der Katastrophe noch gar nicht zu überblicken. Der seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise steckende Libanon ist unter anderem von Lebensmittelimporten aus dem Ausland abhängig. Angesichts des zerstörten Hafens, der als wichtiger Umschlagpunkt für Importe diente, werde es zu Lebensmittelengpässen und steigenden Preisen kommen, warnte Rossbach.

Offiziellen Angaben zufolge leben inzwischen mehr als 45 Prozent der Libanesen unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 35 Prozent. Ständige Strom- und Wasserausfälle machen der Bevölkerung das Leben schwer.

Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International bezeichnete die Explosion in Beirut deshalb auch als «Katastrophe mit Ansage». Das herrschende politische System bedrohe Leib und Leben der Bevölkerung, sagte der Nahost-Koordinator von Medico International, Till Küster. Die nun anlaufende Hilfe müsse daher die Zivilgesellschaft unterstützen.

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