Wie nachhaltig ist der Frieden zwischen Israel und der Hamas?
Die erste Phase des Friedensabkommens für Gaza ist unterschrieben: Doch ist die Teil-Einigung ein Wendepunkt – oder viel eher ein taktischer Zwischenschritt?

Das Wichtigste in Kürze
- Israel und die Hamas haben die erste Phase des Friedensabkommens unterzeichnet.
- US-Präsident Donald Trump könne man «zunächst» für die Einigung loben, so der Experte.
- Es bestehe eine «wirkliche Chance auf einen Waffenstillstand».
Im festgefahrenen Gaza-Konflikt hat es eine historische Wende gegeben: Israel und die islamistische Hamas haben eine erste entscheidende Einigung erzielt.
Gestern haben sie die erste Phase eines möglichen Friedensabkommens von US-Präsident Donald Trump offiziell unterzeichnet.
Demnach sollen bald alle verbliebenen Geiseln freikommen – gemäss Trump am kommenden Montag oder Dienstag. Das ist ein Meilenstein in den seit Monaten andauernden Verhandlungen.
Israel wird im Gegenzug seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen.
«Wirkliche Chance auf Waffenstillstand»
Wie belastbar die aktuelle Teil-Einigung ist, sei noch unklar, sagt Nahost-Experte Bernhard Stahl von der Universität Passau: «Aber zweifellos sollte man die Initiative sehr wertschätzen. Eine wirkliche Chance auf einen Waffenstillstand nach zwei Jahren Krieg», betont er gegenüber Nau.ch.
Angesichts der schwierigen Kriegslage und der komplexen Umsetzung sei allerdings mit weiterem Hin und Her zu rechnen: «Aber nun gibt es einen Referenzpunkt für alle Akteure, hinter den man schlecht zurückfallen kann.»
Zugleich stünden nun auch die USA in der Verantwortung: «Nicht unwichtig: Die Regierung Netanyahu hat sich Trumps Wort unterworfen», so der Experte.
«Zustimmung der Hamas schlau»
Weshalb nun auch die Zustimmung der Hamas? Der internationale Druck sei für eine terroristische Organisation wie die Hamas zweitrangig: «Essenziell für ihr Überleben ist die Sympathie der Bevölkerung, die Wahrnehmung der alternativen palästinensischen Akteure und die Geschlossenheit in den eigenen Reihen.»
Doch genau in diesen drei Gruppen dürfte laut Stahl die Zustimmung zum Hamas-Kurs gelitten haben. Und zwar in beide Richtungen: «Es wird mehr Radikale geben, die beispielsweise die Ausweitung des Kampfes etwa in Europa wollen und zugleich mehr Resignierte, die sich nach dem Ende des Kriegs sehnen.»
Für den Nahost-Experten ist daher klar: Eine Zustimmung seitens Hamas sei schlau: «Später abweichen und das Abkommen ‹testen› kann man immer noch.»
Beifall für Trump?
Die USA hätte die Einigung schon lange initiieren können, aber man hätte den israelischen Rachefeldzug tolerieren wollen, führt Stahl aus.
Doch dieser Rachefeldzug wollte einfach kein Ende nehmen: «Der Frust darüber ist in Washington selbst unter den pro-Likud Republikanern gewachsen», so Stahl. Also auch unter jenen, die Netanjahu wohlgesinnt sind.
Ist angesichts der aktuellen Lage Beifall für Trump angebracht? «Zunächst ja». Man könne Donald Trump für die Einigung schon loben, sagt Bernhard Stahl.

Denn obwohl Israel militärisch stets «gewonnen» habe, habe sich die politische Lage kontinuierlich verschlechtert: «Denn militärische Lösungen können nur in sehr begrenzten Fällen nachhaltig sein.»
Faire Verhandlungen würden in der Regel zu nachhaltigeren Ergebnissen führen.
«Möglichkeit, zur Kriegsoption zurückzukehren»
Inzwischen befinde sich die israelische Regierung in einer ähnlich prekären Lage wie die Hamas: «Die Geschlossenheit der Regierung bröckelt, Teilen der Bevölkerung wird bewusst, dass sie wohl mit einem Pariah-Status im Ausland die Zeche für diese Politik werden zahlen müssen, ein anderer Teil will den Feldzug unbedingt fortsetzen.»
Das Militär sei frustriert, da es kein realistisches, erreichbares Ziel gebe. Viele Verbündete hätten sich angesichts der «politisch gewollten Hungersnot in Gaza» mit Schaudern abgewendet.
Und eine Verurteilung Israels wegen Völkermords rücke «in greifbare Nähe».
In dieser Lage verlasse Netanyahu nun die Kriegsoption und setze – vielleicht nur taktisch – auf einen Waffenstillstand: «Aber der schrittweise, an Bedingungen geknüpfte Rückzug aus Gaza gibt ihm genug Möglichkeiten, zur Kriegsoption zurückzukehren», so Bernhard Stahl.