Glitzer und Protest beim Wettstreit der Sambaschulen in Rio
Mit viel Strass, Pailletten und teils unverhüllter Kritik am Präsidenten hat in Brasilien der traditionelle Wettstreit der Sambaschulen begonnen.

Das Wichtigste in Kürze
- In Brasilien hat in der Nacht auf Montag der Wettstreit der Sambaschulen begonnen.
- Die Karnevalisten üben unverhüllte Kritik am ultrarechten Präsidenten Bolsonaro.
- Erstmals erhielten die Sambaschulen für den berühmten Karneval kein Geld von der Stadt.
In der Nacht auf Montag defilierten sieben der insgesamt 13 brasilianischen Sambaschulen durch das Sambodrom. Sie präsentierten ihre ebenso fantasievollen wie glitzernden Shows und meterhohen Festwagen. Ein Jahr nach dem Amtsantritt des umstrittenen ultrarechten Staatschefs Jair Bolsonaro verbanden viele Gruppen das Karnevalsspektakel mit politischen Botschaften.
«Dieser Karneval enthält viel Protest, weil wir wollen, dass die Welt sieht, was hier passiert.» Das sagte die als Riesen-Edelstein kostümierte Camila Rocha kurz vor dem Einzug ins Sambodrom. «Es gibt viele Menschen, die gegen diese sehr extreme Regierung sind.»

Das diesjährige Motto ihrer Sambaschule Estacio de Sa («Steine») ist eine Anspielung auf die Verwandlung der Erde. Der Planet würde zu einer unwirtlichen Mondlandschaft werden, sollte die Regierung Bolsonaros die Amazonaswälder nicht besser schützen. In ihrem ersten Amtsjahr stieg die Abholzung in Brasiliens Amazonasgebiet um rund 85 Prozent.
Bolsonaro hat Brasilien tief gespalten
Bolsonaro hat die brasilianische Bevölkerung tief gespalten. Seine ultrarechte Politik richtet sich gegen viele Themen, die den Karnevalisten in dem südamerikanischen Land wichtig sind: Diversität, Homosexualität, Umweltschutz und Kunst.

Die Sambaschule Mangueira, Siegerin des Wettstreits im vergangenen Jahr, erzählte die Rückkehr von Jesus. Er tanzt mit Dornenkrone in geflickter Jeansjacke mit Anhängern in einem Armenviertel von Rio. Danach wird die Gruppe von mit Knüppeln bewaffneten Polizisten aufgelöst und Jesus direkt angegriffen: Eine Metapher für die stark angestiegene Polizeigewalt in den Favelas im vergangenen Jahr.
Die Sambaschule singt von Jesus mit «schwarzem Gesicht, dem Blut der Ureinwohner und dem Körper einer Frau». Damit zog sich die Gruppe bereits im Vorfeld den Zorn der evangelikalen Christen zu. Diese zählen zu den wichtigsten Unterstützern Bolsonaros. In einem Schreiben an Mangueira bezichtigten sie die Gruppe der «Blasphemie».

Andere Sambaschulen haben Themen wie Falschnachrichten im Präsidentschaftswahlkampf 2018 oder die Rechte von Frauen und Schwarzen gewählt. Die erfolgreichste Sambaschule in der Geschichte des Landes, Portela, wollte ihre Show dem Ureinwohnervolk Tupinamba widmen. Es lebte vor der Ankunft der Portugiesen im Gebiet von Rio de Janeiro.
Kein Geld für Sambaschulen
Portela kritisiert in einem ihrer Lieder Bolsonaro, einen Ex-Kapitän der Marine, und den umstrittenen Bürgermeister der Millionenstadt, Marcelo Crivella. Der 62-Jährige ist zugleich Bischof einer der grössten evangelikalen Gemeinden Brasiliens: «Unsere Gemeinschaft hat keine Partei oder Fraktion, sie hat keinen Bischof und verbeugt sich vor keinem Kapitän.»

Crivella hat den weltberühmten Karneval in Rio seit seinem Amtsantritt 2016 immer wieder offen kritisiert. Zudem kürzte er die finanziellen Zuschüsse von umgerechnet einst 5,8 Millionen Euro für die Sambaschulen kontinuierlich. In diesem Jahr erhalten die 13 Sambaschulen erstmals überhaupt kein Geld von der Stadt.
In der Nacht zum Dienstag präsentieren sich die anderen sechs Sambaschulen. Jede hat eine Stunde Zeit, um die Jury und die 70'000 Zuschauer im Sambodrom zu überzeugen. Millionen Menschen verfolgen das Spektakel im Fernsehen. Derweil hält der Strassenkarneval in Rio de Janeiro bereits seit einer Woche an.