Tag der «Katastrophe»: Palästinenser in Gaza begraben ihre Toten
Im Gazastreifen werden die Toten beklagt, Israel rechtfertigt den Einsatz der Armee am Grenzzaun. Die Türkei schickt aus Protest Israels Botschafter nach Hause. Und die Palästinenser gedenken noch einer viel früheren «Katastrophe».
Netanjahu wies die Kritik Erdogans zurück. «Erdogan ist einer der grössten Unterstützer der Hamas, daher gibt es keinen Zweifel, dass er sich gut auskennt mit Terror und Massakern», sagte Netanjahu am Dienstag. «Ich rate ihm, uns keine Moral zu predigen.»

Das Wichtigste in Kürze
- Tausende Menschen haben im Gazastreifen Abschied von den vielen Toten genommen.
- Der türkische Präsident Erdogan bezeichnet das Vorgehen Israels als «Genozid».
- Das UN-Menschenrechtsbüro kritisierte Israel scharf.
Nach den tödlichen Konfrontationen von Palästinensern mit israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze haben am Dienstag tausende Menschen im Gazastreifen Abschied von ihren Toten genommen. Beim blutigsten Tag seit dem Gaza-Krieg 2014 waren insgesamt 60 Palästinenser getötet worden, wie das Gesundheitsministerium in Gaza mitteilte. Rund 2800 wurden verletzt. Die Trauer der Palästinenser über die Toten mischte sich am Dienstag, dem Tag der Nakba (Katastrophe), mit dem Zorn über die Vertreibung und Flucht hunderttausender Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948. Die Türkei forderte den israelischen Botschafter in Ankara aus Protest gegen das harte Vorgehen Israels zur Ausreise auf.
Am Gaza-Grenzzaun wurde am Dienstag erneut ein Mensch erschossen, wie das Gesundheitsministerium in Gaza mitteilte. Allerdings beteiligten sich nicht so viele Menschen wie am Vortag an den Protesten. Im Westjordanland beteiligten sich nach Angaben der israelischen Armee etwa 1300 Menschen an teilweise gewalttätigen Demonstrationen.
UN kritisiert Israel
Die Vereinten Nationen kritisierten das Vorgehen der israelischen Armee vom Vortag scharf. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lobte dagegen den «entschlossenen Einsatz» der Sicherheitskräfte. Die Bundesregierung warf der Hamas Anstachelung zur Gewalt vor.
Am Montag waren nach Angaben der israelischen Armee im Gazastreifen rund 40'000 Palästinenser an den Grenzzaun zu Israel gekommen. Gewalttätige Demonstranten hätten explosive Gegenstände und Brandbomben auf Soldaten und den Sicherheitszaun geworfen, teilte die Armee mit. Soldaten hätten entsprechend reagiert und auch geschossen.
Ein Auslöser für die Proteste im Gazastreifen war die Eröffnung der US-Botschaft am Montag in Jerusalem, dem 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Die Menschen protestieren zudem gegen eine mehr als zehnjährige Blockade des Küstenstreifens durch Israel und Ägypten.

«Genozid»
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel einen «Genozid» vor. Das türkische Aussenministerium habe Botschafter Eitan Naeh übermittelt, dass es «angemessen ist, wenn er für einige Zeit in sein Land zurückkehrt», meldeten die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu und weitere Medien.

Gemeinsame Stellungnahme zur Gewalt
Das UN-Menschenrechtsbüro kritisierte Israel scharf. Tödliche Gewalt dürfe nur angewendet werden, wenn die Angegriffenen in Lebensgefahr seien. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen, sagte der Sprecher des Büros, Rupert Colville, in Genf.
Unter den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats kursierte am Montag der Entwurf für eine gemeinsame Stellungnahme zur Gewalt, in der auch eine unabhängige Untersuchung gefordert wurde. Diesen Entwurf blockierten die USA jedoch, wie ein Diplomat der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.