Syrische Regierungstruppen beziehen Stellung nahe Suwaida
Nach den tagelangen Kämpfen mit Hunderten Toten und Berichten über Exekutionen von Zivilisten wachsen die Spannungen in der syrischen Provinz Suwaida wieder.

Sicherheitskräfte der syrischen Übergangsregierung bezogen erneut Stellung an den Rändern der gleichnamigen Provinzhauptstadt, wie die Deutsche Presse-Agentur von Augenzeugen vor Ort und aus syrischen Sicherheitskreisen erfuhr.
Demnach bereiteten sie sich darauf vor, erneut nach Suwaida einzurücken. Nach Angaben aus Damaskus sollen die Regierungstruppen lokale Konfliktparteien auseinanderhalten.
Angeblich 83 drusische Zivilisten hingerichtet
Den Truppen der Regierung werden schwere Verbrechen in Suwaida vorgeworfen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien, die sich auf ein Netz von Informanten vor Ort stützt, sprach von 83 hingerichteten drusischen Zivilisten in den vergangenen Tagen. Präsident Ahmed al-Scharaa machte «gesetzlose Banden» für diese Übergriffe verantwortlich.
Insgesamt sollen bei den Auseinandersetzungen mehr als 500 Menschen getötet worden sein. Die Stadt ist nach Angaben der Beobachtungsstelle von wichtigen Versorgungsdienstleistungen wie Wasser und Strom abgeschnitten. Auch Nahrungsmittel seien knapp.
Flucht beduinischer Einwohner
In Suwaida kam es in den vergangenen Tagen zu schweren Spannungen zwischen drusischen Milizen und sunnitischen Beduinen. Die Regierungstruppen hatten auf Seite der Beduinen in die Kämpfe eingegriffen, bevor Israel zur Unterstützung der Drusen Regierungsgebäude in Damaskus und andere Ziele in Syrien angriff.
Unter Vermittlung der USA, der Türkei und arabischer Staaten kam es zu einer Waffenruhe, die Regierungstruppen zogen sich am Donnerstag aus der Stadt zurück. Drusische Milizen übernahmen die Kontrolle, was zur Flucht beduinischer Einwohner führte.
Suwaida ist eine grösstenteils von Drusen bewohnte Stadt mit knapp 400'000 Einwohnern. Die Drusen sind Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft, die sich vor Jahrhunderten aus dem schiitischen Islam entwickelt hat, aber schon lange als eigenständige Religion gilt.
Sie leben in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien. In der Provinz Suwaida genossen sie während des Bürgerkriegs teils weitgehende Autonomie. Viele stehen der von sunnitischen Islamisten geführten Übergangsregierung in Damaskus mit Skepsis gegenüber.
Der geistliche Führer der Drusen in Syrien, Hikmat al-Hidschri, lehnt es ab, dass Regierungstruppen erneut die Stadt betreten. Auch Vertreter arabischer Stammesmilizen, die zur Unterstützung der Beduinen nach eigenen Angaben Zehntausende Kämpfer aus ganz Syrien in Bewegung gesetzt hatten, warnten die Regierung vor einem Eingreifen.
Netanjahu hat Schutz «drusischer Brüder» als rote Linie ausgegeben
In Israel nehmen die Drusen eine Sonderstellung ein, weil sie anders als muslimische und christliche Araber Militärdienst leisten und eine wichtige Rolle in der Armee spielen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Schutz der «drusischen Brüder» als rote Linie ausgegeben. Syriens Übergangspräsident al-Scharaa hingegen hatte Israel vorgeworfen, sein Land in einen Krieg hineinziehen zu wollen.