Nahe der Millionenstadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo brodelt der Nyiragongo. Hunderttausende fliehen vor den Lavaströmen – es herrscht Chaos.
Menschen, die aus Goma geflohen sind, versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake, wo sie Unterschlupf gefunden haben. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa
Menschen, die aus Goma geflohen sind, versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake, wo sie Unterschlupf gefunden haben. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Moses Sawasawa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach wie vor bedroht der ausbrechende Nyiragongo die Millionenstadt Goma.
  • Wichtige Strassen sind blockiert, hunderttausende sind auf einer chaotischen Flucht.
  • Dutzende Menschen werden vermisst, viele Kinder suchen ihre Eltern.

Die Helferin Rachel Bernard, Leiterin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) in der Demokratischen Republik Kongo, ist verzweifelt. «Wir tun, was wir können, um jede Herausforderung zu meistern. Bei dieser Lage, die sich permanent ändert.»

Doch auch sie muss zugeben, dass die Situation in der Millionenstadt Goma nur schwer zu meistern ist. Ein halbe Million Menschen ist auf der verzweifelten Flucht vor einem bevorstehenden erneuten Ausbruch des Vulkans Nyiragongo.

550 Kinder suchen nach ihren Eltern

In gerade mal 48 Stunden wurden nach ICRC-Angaben rund 550 Kinder in dem Fluchtchaos von ihren Familien getrennt. Diese hatten sich nach einem behördlichen Räumungsbefehl auf den Weg gemacht.

Einfach nur weg von der drohenden Gefahr – irgendwohin. Denn die Optionen sind nicht zahlreich: Der Flughafen gesperrt, eine wichtige Verbindungsstrasse von der Lava blockiert – und der Seeweg über den benachbarten Kivu-See hochriskant. Denn am Boden schlummert hochgiftiges Methangas, das von der glühenden Lava freigesetzt zu werden droht. Eine solche Giftwolke wäre tödlich für alles, was sich im Umkreis befindet.

Goma
Evakuierung einer Millionenstadt: Einwohner tragen ihre Habseligkeiten, während sie Goma verlassen. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Zudem werden die Erdstösse immer heftiger. «Die Gefahr einer erneuten Eruption ist real und die Angst greifbar: Alle fünf Minuten kann man Erdstösse in der Stadt spüren», berichtete der Rotkreuz-Manager Raphaël Tenaud. Und einige davon hatten es in sich.

Ein Mitarbeiter der Welthungerhilfe im knapp 150 Kilometer entfernten Kigali musste sein Telefonat mit der Zentrale kurz unterbrechen: Selbst dort waren die Erdstösse noch deutlich zu spüren. Die Behörden vermuten, dass sich die Lava unterirdisch einen Weg unter die Stadt bahnt und bei jedem Erdstoss herausbrechen kann.

Vulkan bedroht Millionenstadt

Der Vulkan befindet sich im Virunga-Nationalpark, etwa 20 Kilometer nördlich der Grossstadt und nahe der Grenze zu Ruanda. Zuletzt brach er 2002 aus. Lava zerstörte damals grosse Teile Gomas, rund 250 Menschen wurden getötet, 120'000 obdachlos.

Eine Millionenstadt in Angst: Sollte der Vulkan erneut ausbrechen, droht eine Mega-Katastrophe mit verheerenden Auswirkungen. Selbst wenn sie vermieden wird: die Frage, wie es nach der Flucht weitergehen soll, beschert den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen schon jetzt ernste Sorgenfalten.

Goma
Ein Vulkanausbruch des Mount Nyiragongo hat im Vorort Buhene am Stadtrand von Goma einen grossen Schaden hinterlassen. Der Vulkan brach am 22.05.2021 zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten aus. Foto: Justin Kabumba/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Justin Kabumba

Knapp tausend Häuser wurden zerstört, die Stromversorgung ist unterbrochen, und einer halben Million Menschen fehlt nach Rotkreuzangaben das Trinkwasser. Die Gefahr eines Cholera-Ausbruchs ist unter diesen Umständen gross.

Dutzende Vermisste

Nach Angaben der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) werden noch immer Dutzende Menschen vermisst. Die Schliessung der Flughäfen der betroffenen Grenzstadt Goma sowie der Nachbarstadt Bukavu erschwerten humanitäre Hilfsmassnahmen. Drei Dörfer und ein Vorort von Goma wurden von der Lava zerstört. Zudem bleiben viele Kinder orientierungslos zurück.

Nach der Eruption des Vulkans am vergangenen Samstag hatten Einwohner ihre Häuser in Panik verlassen. Viele flohen über die Grenze ins benachbarte Ruanda. Ein Teil der Lava hatte sich Richtung Goma gewälzt, stoppte dann aber 300 Meter vor dem Flughafen der Grenzstadt.

Die Demokratische Republik Kongo verzeichnet mit rund 5,2 Millionen Binnenvertriebenen die höchste Vertriebenenzahl in einem Land auf dem afrikanischen Kontinent.

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