Agenturen machen sich in Kenias grösstem Flüchtlingscamp auf die Suche nach neuen Models. Einige werden zurückgeschickt, weil sie zu unterernährt sind.
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Verdient hat die 23-jährige Achol Malual Jau mit der Modeshow keinen Cent. - Instagram/@achol.malual
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Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Modeagenturen rekrutieren in Kenias grösstem Flüchtlingscamp neue Models.
  • Wie Recherchen zeigen, geht das für die Frauen nicht immer gut aus.
  • Trotz harter Arbeit müssen viele mit hohen Schulden zurückkehren.

Selbstbewusst schreitet Achol Malual Jau in einem langen, goldenen Strickkleid auf der diesjährigen Fashion Week in London über den Laufsteg. Für sie geht ein Traum in Erfüllung. Monatelang hatte sie zuvor das Laufen in hohen Schuhen geübt. Dass sie nun tatsächlich auf einer Modeschau laufen kann, ist für sie «unglaublich».

Fünf Monate später ist ihr davon nur noch die Erinnerung geblieben. Denn verdient hat die 23-Jährige damit keinen Cent. Sie musste der Modelkarriere den Rücken zu kehren und wieder bei ihrer Familie leben.

Ihr Zuhause ist das Flüchtlingscamp Kakuma in Kenia, das von den Vereinten Nationen betrieben wird. Mehr als 280'000 Menschen leben dort, viele von ihnen stammen aus dem Südsudan.

Hohe Verschuldung droht

Wie Recherchen der britischen Zeitung «Sunday Times» ergaben, ist Jau kein Einzelfall. Viele Modelabels rekrutieren Models direkt aus solchen Lagern. Talentscouts von Agenturen wie «Isis Models» suchen dort nach neuen Gesichtern und schicken die Bilder nach Europa.

Auf den ersten Blick scheint es eine Win-Win-Situation zu sein: Die Frauen erhalten die Chance auf ein besseres Leben. Gleichzeitig werden auch die Laufstege vielfältiger.

«Bin ohne Geld zurückgekommen»

Doch die Realität sieht oft anders aus. Viele Models verschulden sich durch ihre Arbeit in Europa. Denn: Reise- und Unterbringungskosten werden nur vor vorgestreckt und müssen später zurückgezahlt werden.

«Ich habe hart gearbeitet, bin aber ohne Geld zurückgekommen», erzählt die junge Frau. «Viele Leute denken, ich hätte Geld, weil ich nach Europa gegangen bin.» Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie kehrt mit 3000 Euro Schulden zurück nach Kenia.

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Blick auf das Flüchtlingslager Kakuma im Norden Kenias.
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Wie eine Recherche der «Times» zeigt, suchen viele Modeagenturen hier nach neuen Gesichtern. (Symbolbild)
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Doch nicht für alle Frauen stellt dies eine Chance auf ein besseres Leben dar. Viele kehren hoch verschuldet ins Camp zurück. (Symbolbild)

«Wir haben Tausende von Euro mit ihr verloren», sagt Matteo Puglisi von Select Model Management gegenüber der «Times». «Wir haben das Geld nie zurückgefordert. Es tut mir sehr leid, dass sie es nicht geschafft hat.»

Chance für ein besseres Leben

Für die Frauen aus dem Flüchtlingslager ist das Modeln eine Chance auf ein besseres Leben. Denn die Verhältnisse vor Ort sind hart: Sie leben in Lehmhäusern mit Wellblechdächern, Strom und Wasser sind Mangelware.

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Schlechte hygienische Bedingungen begünstigen die Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria, Cholera und Typhus. Viele Bewohnerinnen und Bewohner leben von nur einer Mahlzeit am Tag.

Die Folgen zeigt der Fall von Nyawal Puot Chuol: Die 19-Jährige musste nach nur sechs Tagen in Paris wieder zurückgeschickt werden. Sie war «zu unterernährt» zum Arbeiten, wie die «Times» schreibt. Bei einer Körpergrösse von 1,80 Meter wog sie gerade einmal 40 bis 42 Kilogramm.

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