Der Menschenrechtler Oleg Orlow muss sich in Russland unter anderem wegen «Diskreditierung» der russischen Armee vor Gericht verantworten. Ihm droht Lagerhaft.
Oleg Orlow Menschenrechtler Russland
Oleg Orlow nach einer Anhörung im Oktober 2023. (Archivbild) - keystone

Überschattet vom Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny hat in Russland ein neuer Prozess gegen einen weiteren Kriegsgegner begonnen: Oleg Orlow, von der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Menschenrechtsorganisation Memorial.

«Der Tod von Alexej Nawalny ist eine Tragödie (...) für alle, die wollen, dass Russland ein demokratisches Land wird», teilte Memorial am Samstag mit. Jetzt gelte es, nach folgenden berühmten Worten Nawalnys zu handeln, fügten die Menschenrechtler hinzu: «Gebt nicht auf!»

Ex-Memorial-Leiter vor Gericht

Am Vortag hatte am Golowinski-Bezirksgericht in Moskau ein neuer Prozess gegen ihren früheren Memorial-Leiter Orlow begonnen, der sich im Jahr 2022 in einem Artikel deutlich gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine positioniert hatte.

Die russische Justiz wirft dem 70-Jährigen unter anderem die «Diskreditierung» der russischen Armee vor; dafür drohen ihm nun drei Jahre Lagerhaft. Orlow und seine Unterstützer hingegen sprechen von einem politisch motivierten Prozess. Memorial ist in Russland bereits verboten.

Orlow wiederholt Putin-Kritik

Vor Gericht erschienen neben Orlows Anwältin Katerina Tertuchina auch Dutzende Unterstützer Orlows, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur von vor Ort berichtete. «Ich bekenne mich nicht schuldig und ich verstehe die Anklage nicht», sagte Orlow mit fester Stimme vor dem bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal.

Dann wiederholte er seine Kritik am Machtapparat von Kremlchef Wladimir Putin: «Meiner Meinung nach erfolgte der Einmarsch der russischen Truppen auf ukrainisches Gebiet zum Nachteil meines Vaterlandes, zum Nachteil meiner Interessen und der Interessen anderer Bürger Russlands.»

Verzicht auf Zeugen aus Sorge um Sicherheit

Zudem erklärte Orlow, dass er keine Zeugen zu seiner Verteidigung zulassen werde, um diese nicht in Gefahr zu bringen. Anfang Februar nämlich hatte das russische Justizministerium Orlow wegen seiner Kriegskritik als «ausländischen Agenten» eingestuft.

Mit dieser Bezeichnung lässt die russische Führung immer wieder Oppositionelle und Kritiker brandmarken. Die Einstufung bringt zahlreiche Nachteile mit sich und schürt Angst bei Unterstützern, der Zusammenarbeit mit «ausländischen Agenten» bezichtigt zu werden. Vor diesem Hintergrund erklärte Orlow, dass er lediglich darum bitte, am Ende des Prozesses das letzte Wort sprechen zu dürfen.

Gericht hob milde Strafe auf

Gegen den bekannten Menschenrechtler läuft bereits seit mehreren Monaten ein viel beachtetes Verfahren. Im Oktober wurde gegen ihn zunächst nur eine verhältnismässig niedrige Geldstrafe verhängt. Im Dezember hob eine Richterin aber das Urteil wieder auf und wies an, den Prozess komplett neu aufzurollen.

Orlows Unterstützer befürchten, dass der Aktivist, der international als politisch Verfolgter gilt, nun doch noch zu Straflagerhaft verurteilt wird. Seit Beginn des Einmarsches in die Ukraine vor fast zwei Jahren gehen Russlands Behörden nämlich besonders hart gegen Kritiker und Andersdenkende im eigenen Land vor.

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