Der Fall von Djokovic rückt die Aufmerksamkeit auch auf Australiens Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern. Sie sitzen teilweise schon Jahre im selben Hotel fest.
Novak Djokovic
Seit Monaten sitzen einige Flüchtlinge in dem Hotel in Melbourne fest - Novak Djokovic darf die Unterkunft vorübergehend verlassen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Djokovic-Farce hat Flüchtlingen in Melbourne unverhofft Aufmerksamkeit verschafft.
  • Die Zustände, unter denen die abgelehnten Asylbewerber leben, wurden lange ignoriert.

Die Anhörung von Novak Djokovic wegen des abgelehnten Visums in Australien läuft derzeit noch. Bereits jetzt ist aber klar, dass der Tennis-Star das Quarantäne-Hotel in Melbourne vorübergehend verlassen darf. Das entschied der Richter schon ganz kurz nach Beginn der Anhörung.

Damit hat der Serbe insgesamt sechs Tage in dem berüchtigten Park-Hotel im Stadtteil Carlton verbracht. Ob es noch einige Tage mehr sein werden, dürfte sich in wenigen Stunden, spätestens am Dienstag entscheiden.

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Unzählige Demonstranten versammelten sich in den vergangenen Tagen als Support für Novak Djokovic vor dem Hotel in Melbourne. - Keystone

So oder so ist aber klar: Djokovic wird das Hotel in Kürze für immer verlassen können, entweder um an den Australian Open teilzunehmen oder aber um die Heimreise anzutreten. Es ist eine Ausgangslage, von der weitere 36 Menschen in dem Hotel nur träumen können.

Das fünfstöckige Hotel teilt sich Djokovic nämlich mit von Australien abgelehnten Asylbewerbern. Es sind Männer aus unterschiedlichen Ländern, die zur medizinischen Behandlung aus den australischen Lagern in Papua-Neuguinea und Nauru aufs Festland gebracht wurden – und jetzt seit Monaten in dem Hotel festsitzen.

«Wir werden festgehalten»

Die strikte Abschreckungspolitik von Australien gegenüber Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ist kein Geheimnis: Menschen, die ohne Visum ankommen, werden festgehalten, Menschen, die per Boot anreisen, kommen in die Insellager. Manus wurde 2016 geschlossen, das Zentrum von Nauru blieb geöffnet. Erst 2019 erlaubte die Regierung die vorübergehende Überstellung schwerkranker Flüchtlinge zur medizinischen Behandlung nach Australien.

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Einige Flüchtlinge sitzen seit Monaten in dem Quarantäne-Hotel in Melbourne fest. Es handelt sich um von Australien abgewiesene Asylbewerber. - Keystone

Einige von ihnen, die teilweise seit Jahren auf den Inseln festsassen, landeten im Park Hotel in Melbourne und wollen jetzt den Fall von Djokovic nutzen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. «Ich glaube, ich verliere meinen Verstand. Wir werden an einem Ort ohne Sonnenlicht festgehalten, wir können uns nicht bewegen und verbringen 23 Stunden in einem Raum ohne Fenster. Wir sind krank, physisch und psychisch», sagt der Flüchtling Ishmael gegenüber dem «Guardian».

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Die Flüchtlinge hoffen, dass Novak Djokovic auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen wird. - Keystone

Der 32-jährige Iraner Hossein Latifi gibt an, er sei nun schon zwei Jahre auf dem Festland und seit vier Monaten in dem Hotel in Melbourne gefangen. Wie lange noch, und wohin es danach geht, weiss der junge Mann nicht. «Wir sind Flüchtlinge, wir sind unschuldige Menschen – wir haben kein Verbrechen begangen. Sie halten mich hier einfach wie eine Geisel», wird er von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert.

Ankunft von Djokovic «ein Geschenk»?

Ende Dezember wurden erste Berichte über die miserablen Zustände und die schlechte Verpflegung in dem Hotel öffentlich. «SBS News» veröffentlichte Fotos von verschimmelten Brotstücken. In einer Schüssel mit Hühnchen und Brokkoli wurden Maden mitserviert. Ein irakischer Asylbewerber sagte damals: «Ich war einfach schockiert. Das Essen, das sie geliefert haben, bringt die Menschen in Gefahr. Selbst ein Tier kann diese Art von Nahrung nicht essen.»

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Anfang Jahr beklagten sich die im Park Hotel untergebrachten Flüchtlinge über das Essen. «SBS News» veröffentlichte Fotos von verschimmelten Brotstücken. In einer Schüssel mit Hühnchen und Brokkoli wurden Maden mitserviert. - Screenshot/SBS

Noch einmal verschlimmerte sich die Lage im Hotel zu Weihnachten. Am 23. Dezember gab es mehrere Brände im Gebäude. Dabei wurden der dritte und der vierte Stock beschädigt. Wegen den dort ebenfalls isolierten Covid-19-Erkrankten, gab es bei den Geflüchteten zudem noch einige Ansteckungen.

«Ich bin enttäuscht, alle wollen Informationen zu Novak, wollen wissen, wie das Hotel für ihn ist. Aber sie fragen nicht nach uns, wir sind seit Monaten hier eingesperrt, seit Jahren», sagt der Flüchtling Mehdi gegenüber dem «Guardian» und hofft, dass Djokovic über ihre Situation in der Öffentlichkeit sprechen wird.

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Eine Frau schreibt das Wort «Folterzelle» an die Fassade des Park Hotels in Melbourne.
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«Befreie Sie alle»: Vor dem Hotel in Melbourne stehen Polizisten und Polizistinnen.
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Seit Tagen protestieren die Kritiker der harschen australischen Flüchtlingspolitik für die Flüchtlingen in dem Quarantäne-Hotel.
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Die Demonstranten bezeichnen die Ankunft von Djokovic als «Geschenk», da der Tennis-Star den Flüchtlinge unverhofft zu Aufmerksamkeit verhalf.

Als Folterzelle bezeichnet das Hotel der 38-jährige Jamal Mohamed. Es ist ein Wort, das auch an der Aussenfassade des Hotels in Grossbuchstaben zu lesen ist. Eine Botschaft, die von den Gegnern der harschen Flüchtlingspolitik verfasst wurde. Seit Tagen nutzen sie die Novak-Aufmerksamkeit und protestieren vor dem Hotel.

Die Flüchtlingsanwältin Jane Salmon sagte gegenüber «ABC News», dass die Ankunft des Serben «nach neun Jahren Däumchendrehens» in vielerlei Hinsicht ein «Geschenk» sei. «Hier ist einer der reichsten Typen der Welt neben einigen der am stärksten festgehaltenen Menschen. Die Situation hat eine ganz neue Gemeinschaft erreicht – viele der serbischen Demonstranten hatten gar keine Ahnung, dass dort Leute versteckt werden.»

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