Das Coronavirus macht Millionen von Chinesen einen Strich durch die Rechnung. Sie können ihre Verwandten zum anstehenden Neujahrsfest nicht besuchen.
Eine üppig dekorierte Strasse zur Feier des chinesischen Neujahrsfestes in Hongkong. Foto: Vincent Yu/AP/dpa
Eine üppig dekorierte Strasse zur Feier des chinesischen Neujahrsfestes in Hongkong. Foto: Vincent Yu/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ab Morgen wird in China das Neujahrsfest gefeiert.
  • Millionen von Menschen können nicht wie traditionellerweise ihre Familie besuchen.
  • Es herrscht grosser Unmut über die strengen pandemiebedingten Reiseeinschränkungen.

Wegen der Pandemie sollen die Chinesen über ihr Neujahrsfest wieder nicht in die Heimat fahren. Nach dem Mondkalender beginnt das Jahr des Tigers. Er soll alles Böse vertreiben können. Auch das Virus?

«Schon das dritte Jahr in Folge können wir nicht nach Hause fahren», klagt Frau Wang. Sie betreibt in Peking einen Krämerladen. «Ich weiss ja nicht, ob wir überhaupt zurückkommen können.»

Eigentlich wollte Frau Wang mit Mann und Tochter zum chinesischen Neujahrsfest in ihre Heimat nach Zentralchina reisen. Diese liegt nicht weit von Wuhan entfernt. Dort waren Ende 2019 die ersten Infektionen mit dem Coronavirus entdeckt worden – dort nahm die Pandemie ihren Ausgang. «Wir können nur wieder hierbleiben», sagt Frau Wang resigniert.

Grösste Völkerwanderung der Welt

Die strengen Reisebeschränkungen und Ausgangssperren sind für viele Millionen Menschen in China das eigentliche Problem; fast noch mehr als die zunehmenden, wenn auch nur begrenzten Corona-Ausbrüche im Land. Oft werden sie über Nacht erlassen und gelten wochenlang. Zum wichtigsten Familienfest der Chinesen reisen normalerweise Hunderte Millionen in ihre Heimatdörfer. Es wird gerne als grösste jährliche Völkerwanderung der Welt beschrieben.

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In China ist es eine Tradition, dass zu Neujahr die Familie besucht wird. - EPA

Die Behörden dringen darauf, dass die Menschen auch an diesem Neujahrsfest vorsichtshalber da bleiben, wo sie sind. Dies, weil auch Omikron in China angekommen ist. Dennoch werden sich mehr Chinesen auf den Weg machen als vor einem Jahr.

Das Transportministerium rechnet in der fünfwöchigen Saison um die Feiertage mit 1,18 Milliarden Reisen. Dies entspricht einem Zuwachs von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es sind aber immer noch deutlich weniger als die drei Milliarden 2019 vor der Pandemie.

Kann der Tiger das Virus verjagen?

In der Nacht zum 1. Februar beginnt nach dem Mondkalender das Jahr des Tigers. Es ist das dritte der zwölf Tierkreiszeichen. In diesem Jahr kommt in der chinesischen Astrologie das Element des Wassers hinzu.

Der mutige Tiger steht für Energie, Tatendrang und Veränderung. Er soll das Böse fortjagen können, glauben Wahrsager. Aber kann er auch das Virus vertreiben?

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Nur mit Gesichtsmaske: Einkaufen für das bevorstehende chinesische Neujahrsfest in der zentralchinesischen Provinz Anhui. - dpa-infocom GmbH

«Es scheint, als wenn der Wassertiger positiver und produktiver sein wird», glaubt der Hongkonger Wahrsager Raymond Lo. «Wir können erwarten, dass Covid-19 besser unter Kontrolle gebracht wird.» Die Menschen sehnten sich nach Alltag und normalen Reisen. Er rechnet mit einem friedlichen, erholsamen Jahr und sagt sogar einen wirtschaftlichen Boom voraus.

Chinesen sind empört über Massnahmen

Die rigorosen Massnahmen zur Virusprävention in China drücken aber auch auf das Wachstum. Im Januar herrschten zeitweise Ausgangssperren für bis zu 20 Millionen Menschen in drei Metropolen. Fabriken mussten schliessen. Lieferketten wurden unterbrochen.

Flüge wurden gestrichen. Obwohl nur einige Dutzend Infektionen täglich gemeldet wurden. Die Null-Covid-Politik setzt lokale Funktionäre massiv unter Druck. Sie sind die ersten, die gefeuert werden, wenn es einen Ausbruch gibt.

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Pekinger Flughafen - AFP/Archiv

Im Volk regt sich zunehmend Widerstand gegen allzu übertriebene Massnahmen. Der Kreisrat Dong Hong von Dancheng in der Provinz Henan kündigte an: er werde jeden «bösartigen Heimkehrer», der aus Gebieten mit hohem oder mittlerem Risiko kommt, «in Quarantäne stecken und dann festnehmen».

Die Empörung war gross. Selbst Staatsmedien ging das zu weit: Es sei doch nur «menschlich», zum Neujahrsfest heimkehren zu wollen. Doch die Tageszeitung «China Daily» gab ihm in der Sache Recht. «Er hat nur die falschen Worte gewählt.»

Winterspiele im Schatten der Pandemie

Mit Ausgangssperren, Massentests, Zwangsquarantäne und Kontaktverfolgung hat China das Virus besser als andere Länder im Griff. Das Leben hat sich weitgehend normalisiert. Aber erst stellte Delta und jetzt Omikron die Null-Toleranz-Politik auf eine harte Probe.

Auch in Peking, wo Anfang Februar die Olympischen Winterspiele beginnen, werden trotz aller Vorsichtsmassnahmen wieder Infektionen gezählt. Als Ursache werden Kühlketten mit importierten Waren verdächtigt, was Experten aber für unwahrscheinlich halten.

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Absperrung an der «Olympia-Blase» - AFP

Wie die Sommerspiele in Tokio stehen auch die Winterspiele im Schatten der Pandemie. Die Teilnehmer können sich nur in hermetisch abgeriegelten «Blasen» bewegen. Dies aus Angst davor, dass das Virus eingeschleppt werden könnte. Sie haben fast keinen Kontakt zu Land und Leuten.

Corona dämpft auch die olympische Stimmung der rund 20 Millionen Pekinger.«Ich sehe nichts, warum wir begeistert sein sollten», sagt eine Ärztin. «Ich hatte die Möglichkeit, zur Eröffnungsfeier ins «Vogelnest» zu gehen», meint die 51-Jährige über die Zeremonie im Nationalstadion Peking. «Aber ich will nicht hin, was bringt das?»

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