Staatsanwälte rieben sich die Hände als Joaquín Guzmán an die USA ausgeliefert wurde. Im Prozess droht ihm nun lebenslange Haft.
Der mexikanische Drogenboss Joaquín «El Chapo» Guzmán wird vom Militär in Handschellen zu einem Helikopter geführt.
«El Chapo» droht lebenslange Haft. - dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Montag steht der Drogenboss Joaquín Guzmán in den USA vor Gericht.
  • Mit Drogenschmuggel soll der Mexikaner Milliarden erwirtschaftet haben.

Bei Gerichtsanhörungen wandert Joaquín Guzmáns erster Blick immer direkt zu seiner Frau, sofern sie denn im Saal sitzt. Auch mit Beginn seines Strafprozesses am Montag kann der mexikanische Drogenboss, besser bekannt unter seinem Spitznamen «El Chapo», wieder nach Emma Coronel und den gemeinsamen Zwillingstöchtern Ausschau halten. Ihre emotionale Unterstützung, selbst durch ein Lächeln oder ein kurzes Winken quer durch den Raum, kann der Angeklagte in diesen Tagen gut gebrauchen.

Bald zwei Jahre harrt Guzmán nun schon im Hochsicherheitsgefängnis in New York aus. Die Einrichtung im Süden Manhattans soll härter sein als das Lager Guantánamo auf Kuba. 24 Stunden am Tag verbringt Guzmán in einer 15 Quadratmeter grossen, fensterlosen Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrrad-Trainer benutzen darf. Depressionen und Halluzinationen seien die Folge, warnten seine Anwälte.

Ein Milliardengeschäft

Mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften verdiente der frühere Chef des Sinaloa-Kartells laut Staatsanwaltschaft Milliarden. Im Staat Sinaloa an der Westküste sitzt das Herz des mexikanischen Drogenhandels, vor allem Marihuana und Schlafmohn zur Herstellung von Heroin werden hier angebaut. Auch das aus Kolumbien stammende Kokain wird tonnenweise vor allem über Mexiko in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Das Sinaloa-Syndikat zählt laut Drogenbehörde DEA schon lang zu den Hauptlieferanten illegaler Suchtmittel mit Ziel USA.

Guzmán gleicht im blutigen Drogenkrieg, der auch ohne ihn weiter tobt, einer Jagdtrophäe. Sein weltweiter Ruhm lässt sich mit dem des 1993 getöteten Drogenbarons Pablo Escobar vergleichen. Die unabhängige Chicago Crime Commission hatte ihn 2013 zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt – ein Titel, den zuvor nur Gangsterboss Al Capone bekam. Das Magazin «Forbes» führte ihn in seinen Milliardärslisten und sprach vom «mächtigsten Drogenhändler weltweit».

Gleich ein Dutzend Staatsanwälte sitzen in New York nun an dem Fall. Auch in Chicago, Miami, San Diego an der mexikanischen Grenze und weiteren Bundesbezirken wurde Guzmán angeklagt. Dort hatten sich Strafverfolger wohl schon die Hände gerieben. Aber in Brooklyn im Bezirk «Eastern New York», wo der Fall nun verhandelt wird, sammelt sich das geballte Wissen aus einem jahrzehntelangen Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

300'000 Dokumente durchkämmt

Entsprechend schwere Geschütze hat auch Guzmán aufgefahren. Neben den Anwälten Eduardo Balarezo und William Purpura wird er nun auch von Star-Verteidiger Jeffrey Lichtman vertreten. Zu dessen Mandanten zählte der Sohn von Mafia-Boss John Gotti, den Lichtman erfolgreich in einem Prozess um Wertpapierbetrug in Höhe von 25 Millionen Franken verteidigt hat. In höchstem Tempo arbeiteten sich die Anwälte durch 300'000 Seiten Dokumente und massenhaft anderes Beweismaterial.

Dabei war lange nicht klar, ob der 61 Jahre alte Guzmán seine Spitzenanwälte überhaupt bezahlen kann. Die Staatsanwaltschaft hatte offengelassen, ob Zahlungen an die Verteidiger beschlagnahmt würden. Lichtman war wegen dieser Bedenken erst nicht Teil des Teams. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur dann aber im August, das Problem mit der Bezahlung sei «endlich gelöst». Details nennt er nicht. Von geschätzt 14 Milliarden Franken aus mutmasslichem Drogenhandel fehlt den US-Behörden weiterhin jede Spur.

Von all dem Zirkus um einen der grössten Drogenprozesse in der amerikanischen Geschichte lässt Richter Brian Cogan sich nicht beeindrucken. Mit ruhiger Hand hat er die Vorbereitungen für das Verfahren geleitet, das nach Auftakt mit der Jury-Auswahl am 5. November in der Woche darauf mit den Eröffnungsplädoyers offiziell beginnen und dann rund drei oder vier Monate dauern dürfte. Bei einer Verurteilung droht Guzmán eine lebenslange Haftstrafe. Die nach Bundesrecht der USA immer noch legale Todesstrafe ist ausgeschlossen, darauf hatten sich Mexiko und die USA bei der Auslieferung verständigt.

Zwölf Geschworene

Zwölf Geschworene sollen nun über Guzmáns Schicksal entscheiden, komplett abgeschirmt von der Presse und Öffentlichkeit. Ihre Namen und Gesichter sollen geheim bleiben. Zu gross sei die von Guzmán ausgehende Gewalt, nachdem er mutmasslich Hunderte Menschen ermorden, angreifen und entführen liess, meint Richter Cogan.

Die Staatsanwaltschaft hat 16 Zeugen in Stellung gebracht - vermutlich frühere Partner, Freunde und Unterstützer Guzmáns. Unter ihnen ist etwa Dámaso López, der Guzmáns Nachfolge angetreten hatte. «Licenciado» (Der Akademiker) heisst er wegen seines Jurastudiums mit Spitznamen. Nachdem auch er im Juli an die USA ausgeliefert wurde, einigte er sich mit Ermittlern darauf, mit ihnen zu kooperieren.

2001 und 2015 waren Guzmán noch spektakuläre Gefängnisausbrüche in Mexiko gelungen, nun könnte es in seinem Drama der vorerst letzte Akt sein. «Er ist bereit für den Prozess. Er ist guten Mutes und ihm ist klar, womit er konfrontiert wird», sagte Anwalt Balarezo zuletzt. Die Chancen, dass die USA ihn als Trophäe auf Lebzeiten hinter Gitter bringen, stehen gut. Illegale Drogen fliessen unterdessen weiter ins Land. Und das Gemetzel südlich der Grenze geht weiter.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Todesstrafe