Amerikanische Studenten treffen in Schweden auf einen sonderbaren Kult. «Midsommar» erreicht trotz eigener Handschrift nicht die Speerspitze des Genres.
«Midsommar»
Eine Gruppe von Studenten reist nach Schweden, um den «Midsommar» einzuläuten. - Ascot Elite
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ari Aster schickt in «Midsommar» eine Gruppe von amerikanischen Studenten nach Schweden.
  • Die Protagonisten erleben dort ihr blaues Wunder.
  • Der Film vermittelt keine plumpen Schocks, sondern setzt auf Atmosphäre.

Horrorfilme gibt es unzählige. Ähnlich wie bei der Sparte Komödie gelingt es allerdings verhältnismässig wenigen Vertretern qualitativ zu glänzen. Es ist schwer, Furcht oder Witz gekonnt zu vermitteln.

In der heutigen Zeit erhalten meistens plumpe Schocker die Aufmerksamkeit der breiten Masse. Bemüht wirkende Kassenschlager wie die beiden «Es»-Kapitel oder «Insidious» gleichen eher einem Besuch in der Geisterbahn: Nicht wirklich gruselig, dafür sehr laut.

Dem gegenüber stehen Regisseure mit Visionen. Dazu gehören Jordan Peele («Get Out»), Robert Eggers («The Witch») oder auch Ari Aster. Letzterer hat 2018 mit «Hereditary» bei Kritikern für Aufsehen gesorgt. Nun legt er mit «Midsommar» nach.

Ein folgenschwerer Ausflug

Dani (Florence Pugh) muss eine Familientragödie überwinden. Sie wendet sich an ihren Freund Christian (Jack Reynor), der mit seinen Kumpels eine Reise nach Schweden geplant hat. Das Grüppchen zeigt sich wenig begeistert, als Dani ebenfalls ins Flugzeug steigt.

«Midsommar»
Die Einheimischen bitten zu Tisch. - Ascot Elite

«Midsommar»: Irgendwo zwischen Horror und Komödie

Bereits in «Hereditary» hat Aster okkulte Elemente mit psychologischen Aspekten vermischt. Trotz aller übertriebener Lobhudelei gehört der Film entgegen verbreiteter Meinung nicht auf eine Stufe mit «Rosemaries Baby» oder «Der Exorzist».

«Midsommar» weist ähnliche Elemente auf. Hier wird ersichtlich, dass der Amerikaner eine eigene Handschrift besitzt. In seinem neuesten Werk geht es erneut um Verlustängste. In Presse-Gesprächen hat der Regisseur erklärt, dass «Midsommar» die Aufarbeitung einer persönlichen gescheiterten Beziehung darstellt.

«Midsommar»
Dani (Florence Pugh) und Christian (Jack Reynor) geraten an ihre Grenzen. - Ascot Elite

Diesmal findet das Szenario während eines Grossteils der 147-minütigen Laufzeit bei Tageslicht statt. Fürs Genre ist dieser Umstand durchaus erwähnenswert, weil man Horror für gewöhnlich mit Dunkelheit verbindet.

«Midsommar» ist allerdings kein gewöhnlicher Grusler, sondern kippt nach dem anfänglichen Schlag in die Magengrube ins Komödiantische um. Das liegt unter anderem an der überzeichneten Darstellung der schwedischen Sektenmitglieder. Gegen Ende wird der Inhalt deutlich abgedrehter.

Mit einem Auge für räumliche Details vermittelt Kameramann Pawel Pogorzelski einnehmend den fortschreitenden Wahn der Situation. Vom Handwerklichen abgesehen, vernachlässigt der Film bald seine ernste Ausgangssituation. Die Charakterisierung geht sogar so weit, dass manche Protagonisten irgendwann ohne grosse Erklärung aus dem Geschehen verschwinden.

Greifbar oder sympathisch ist über weite Strecken hinweg keine Figur. Wer zudem ein wenig mit dieser Sorte Film vertraut ist, kann sich den weiteren Verlauf schnell zusammenreimen.

Fazit

«Midsommar» bietet tolle Bilder, einige einprägsame Momente sowie eine passende Musikuntermalung, angereichert mit blutigen Zwischentönen. Wer auf billige Schocks hofft, wird enttäuscht. Stattdessen lässt Aster seine eigenwillige Variante des englischen Folk-Horrors im Stile von «The Wicker Man» bis zum Schluss unerbittlich eskalieren.

Für den Genre-Thron reicht es allerdings auch beim zweiten Anlauf nicht. Wie zuvor bei «Hereditary» wirkt die Tonalität zerfahren. Der Film beginnt düster, bremst danach etwas ab und kippt zunehmend ins Groteske.

Mit einer Laufzeit fast zweieinhalb Stunden streckt sich das Geschehen besonders im Mittelteil. Trotz Defizite besitzt «Midsommar» dennoch mehr Reiz als die üblichen Kirmes-Schocker.

★★★☆☆

«Midsommar» läuft seit dem 3. Oktober 2019 in den Deutschschweizer Kinos.
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