Kolumne

Homophobie unter Teenagern nimmt zu!

Verena E. Brunschweiger
Verena E. Brunschweiger

Zürich,

«Religiösen Fanatismus und politischen Extremismus können wir alle bekämpfen», schreibt Kolumnistin Verena Brunschweiger.

Jonathan Bailey
Jonathan Bailey: Gutaussehend und offen schwul. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Dr. Verena E. Brunschweiger schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
  • Heute schreibt sie über Gewalt und Drohungen an Schulen gegen Minderheiten.

Der britische Schauspieler Jonathan Bailey ist für die US-Zeitschrift People der «Sexiest Man Alive» des Jahres 2025. Bailey und der holländische Politiker Rob Jetten wiesen in den Niederlanden die extreme Rechte in ihre Schranken.

Was haben die beiden Enddreissiger gemeinsam, ausser nach herkömmlichen Standards attraktive dunkelhaarige Männer zu sein? Sie sind offen schwul.

Niederlande Rob Jetten
Schönling Rob Jetten (Demokraten66) gewinnt die Parlamentswahl in den Niederlanden. Auch er ist schwul. - keystone

Na wunderbar, endlich ist Homosexualität kein eklatanter Nachteil mehr, wenn man regieren oder Auszeichnungen bekommen möchte. In der Welt des Showbiz war ja, wie manche glauben, Homosexualität ohnehin noch nie Grund für Diskriminierung.

Trotz solcher schillernden Einzelfälle wie Bailey oder Jetten gibt es aber auch Menschen, die zum Beispiel als schwuler Lehrer arbeiten und nach ihrem Outing die Hölle auf Erden erleben.

Ich erinnere an den Fall eines Lehrers an einer Berliner Grundschule. Oziel Inácio-Stech hatte vor ein paar Monaten öffentlich gemacht, von Schülern homophob beschimpft, beleidigt und gemobbt worden zu sein. Zudem habe eine Kollegin falsche Vorwürfe gegen ihn erhoben. Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung warf er mangelnde Unterstützung vor.

Ein bedauernswerter Einzelfall? Keineswegs! Generell geht es mit den Schulen den Bach runter.

Verbale Gewalt gegen Minderheiten

Im Januar las man beispielsweise über eine Realschule in Ludwigshafen, dass regelmässig Fäkalien-Schmierereien an Wänden zu finden seien. Und Lehrkräfte würden bedroht.

Im Sommer griff eine Schülerin eine Lehrerin mit einem Messer an. Die Teenager attackierten sich gegenseitig und betrieben zusätzlich Cybermobbing, indem sie Fake-Accounts von Lehrkräften anlegten.

Ja, noch gibt es in Deutschland, Österreich und in der Schweiz weniger bewaffnete Amokläufe als in den USA. Was uns aber zunehmend begegnet, ist verbale Gewalt gegen Minderheiten.

Verena Brunschweiger
Kolumnistin Verena Brunschweiger. - zvg

Teenager drehen den Rücken zu

Was der homosexuelle Berliner Lehrer den Medien berichtet hat, bestätigt eine ehrenamtlich an Schulen über LGBT aufklärende Frau. Seit ein paar Jahren beobachtet sie einen ausgeprägten Negativtrend: Es passiert immer häufiger, dass sich Teenager mit dem Rücken zu ihr drehen, weil sie es «eine Zumutung» fänden, sich «sowas» anhören zu müssen.

Da bleibt einem natürlich erst mal die Luft weg.

Die so begrüsste Lesbe ist zu gutmütig für diese Welt. Sie lässt sich nicht entmutigen und sucht sogar mit solchen Jugendlichen den Dialog, um die Ursachen für derartige Ablehnung zu eruieren.

Elternhaus und Social Media als Ursache

Wenig überraschend stellt sie fest, dass Teenager mit homophoben Ansichten aus entsprechenden Elternhäusern kommen, gleichgesinnte Kontakte pflegen und auf TikTok den dazu passenden Influencern folgen.

Tja, und wie eine Vergewaltigung immer eine Vergewaltigung ist und bleibt, so ist eine homophobe Beleidigung eine homophobe Beleidigung. Und zwar unabhängig davon, ob die sie äussernde Person christlich, muslimisch oder was auch immer ist.

«Abartige Missgeburt»

Und wie apart, dass gerade religiöse Leute, die sich doch in angeblicher Toleranz und Menschenliebe gefallen, einen so hohen Prozentsatz aller Homophoben ausmachen.

Aber die lesbische Ehrenamtlerin musste sich von Teenagern als «abartige Missgeburt» bezeichnen lassen, weil der Koran oder die Bibel sage: «Das ist eine Sünde!»

Lesben
Solche Bilder lesbischer Frauen können provozieren. Warum? - Keystone

Interessant, wie solche Leute eine aktuelle Schlagzeile von PinkNews ignorieren, dass allein 2025 fast 200 Anti-LGBT-Stimmungsmacher aus dem christlichen Bereich in den USA wegen Kindesmissbrauchs angezeigt wurden.

Es sind übrigens nicht nur Jungs, die sich homophob äussern: Eine Schülerin gab an, sie würde sich schämen, wenn sie mal ein Kind bekäme, das «so» wäre. Hoffen wir lieber mal, ihre Eltern schämen sich in Grund und Boden, weil sie so eine Tochter haben!

Solidarität ist wichtig

Die unheilvolle Verbindung manifestiert sich wieder einmal: Rechtsaussen, extremistische Strömungen und religiöser Fanatismus vermengen sich zu einer für Betroffene teilweise tödlichen Melange.

Die lesbische Heldin kann froh sein, dass ihr «nur» unfassbare Beleidigungen an den Kopf geknallt wurden. Und nicht auch noch ihr Auto demoliert, ihre Partnerin on- oder offline belästigt – oder ihre Haustür beschmiert wurde.

Zur Autorin

Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

Religiösen Fanatismus und politischen Extremismus können wir alle bekämpfen.

Man muss sich nicht Erlebnisse antun wie die LGBT-Ehrenamtlichen. Aber: Man kann Solidarität mit ihr praktizieren und Äusserungen solcher Teenager und ihrer Eltern die Rote Karte zeigen. Im Internet und im echten Leben.

Auch ein Jonathan Bailey kann nur auf diese Weise viel bewirken.

Kommentare

User #3130 (nicht angemeldet)

Kann man machen und dabei zusehen wie sich der Freundeskreis langsam verabschiedet. Mir war und ist es stets wichtig vor der eigenen Türe zu kehren, weshalb ich abwertende Bezeichnungen und diskriminierende aussagen in Diskussionen besonders mit Freunden nicht mehr akzeptieren konnte. Immerhin, jene die geblieben sind achten sich heute mehr auf ihre Sprache zumindest in meiner Anwesenheit.

User #4986 (nicht angemeldet)

Nach wie vor. Die Sexualität meines Gegenübers ist, wenn überhaupt, eher von geringem Interesse, wenn überhaupt. Es geht mich nichts an, ist Privatsache und das darf so bleiben.

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