Bill Gates sorgt mit seinen Forderungen zur globalen Impfstoff-Produktion gegen das Coronavirus für Aufsehen. Doch wie weit ist die Entwicklung wirklich?
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Eine Impfung wird für die Injektion vorbereitet. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Weltweit wird intensiv an einem Coronavirus-Impfstoff geforscht.
  • Michael Bachmann von der Uni Bern will in einem halben Jahr einen Impfstoff entwickeln.
  • Andere Experten sind pessimistischer – sie gehen von 18 Monaten Entwicklungszeit aus.

«Wir müssen das Virus auf der ganzen Welt besiegen.» Bill Gates fand am Sonntag gegenüber Fox News klare Worte zum Coronavirus. Wie das angestellt werden soll, weiss Gates auch schon: Es brauche einen Coronavirus-Impfstoff.

Darin ist sich Gates mit den Experten einig. Nur ein Impfstoff kann flächendeckenden Schutz vor dem Coronavirus garantieren. Doch wie lange dauert es, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht?

Ein halbes Jahr bis zum Impfstoff – bestenfalls

«In einem halben Jahr möchten wir die ganze Schweiz impfen», sagte Martin Bachmann vergangene Woche gegenüber «TCS MyMed». Bachmann ist Immunologe am Departement für biomedizinische Forschung an der Universität Bern.

Der Plan sei ambitioniert, gesteht Bachmann ein, aber man sei schon sehr weit: «Wir sind bereit.» Der Impfstoff von Bachmanns Team sei bereits testreif. Dennoch erfordert die Impfstoff-Zulassung viel Zeit.

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Im Ärztezentrum Oberhasli wird eine Patientin geimpft. - Keystone

Die Prognosen zu einer Impfstoff-Verfügbarkeit gehen dementsprechend weit auseinander. Während Optimisten wie Bachmann einen Impfstoff in diesem Herbst prognostizieren, gehen andere Schätzungen von bis zu eineinhalb Jahren aus.

Christian Griot vom Institut für Virologie und Immunologie der Uni Bern prognostiziert einen fertigen Impfstoff im Herbst 2021. Im Idealfall! Normalerweise verstreichen mindestens 18 Monate, ehe ein Impfstoff die marktreife erreicht.

Um die Zulassung zu beschleunigen, muss auch auf politischer Ebene etwas geschehen. «Dafür müssen jetzt einige Regeln im Rahmen eines Pandemie-Plans geändert werden. Doch wir sind auf gutem Weg», sagt Bachmann. Man arbeite diesbezüglich eng mit den Behörden zusammen.

Globaler Wettlauf um den Impfstoff

Bachmanns Team ist längst nicht das einzige, welches an einem Impfstoff arbeitet. Bereits Mitte März sorgte die US-Amerikanerin Jennifer Haller für Aufsehen: Sie war die erste, der ein experimenteller Impfstoff des US-Unternehmens Moderna injiziert wurde. Auch die globalen Impfstoff-Marktführer Sanofi, GlaxoSmithKline, Merck und Pfizer arbeiten auf Hochtouren an einer Impfstoff-Entwicklung.

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Moderna-CEO Stephane Bancel bei einem Treffen der Task-Force zum Coronavirus im Weissen Haus. - Keystone

Die EU stellt ebenfalls Mittel und Technologien bereit. Man befinde sich in einem Rennen gegen die Zeit, sagte EU-Forschungskommissarin Mariya Gabriel gegenüber dem Handelsblatt: «Wir erwarten, dass ein Impfstoff viel schneller auf dem Markt verfügbar sein wird, womöglich im Herbst

Warum dauert es so lange?

Auch die optimistischen Schätzungen gehen von mindestens sechs Monaten aus – was macht den Zulassungsprozess so langwierig? Swissmedic, verantwortlich für die Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen, begründet auf Anfrage von Nau.ch mit den Anforderungen. «Diese sind an Impfstoffe in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität sind – entsprechend internationaler Standards – sehr hoch.»

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Das Logo des Sitzes von Swissmedic in Bern. - Keystone

Bis vor kurzem seien zwei Lastwagenladungen an Unterlagen für eine einzige Zulassung nötig gewesen. Auch wenn die Unterlagen seit kurzem digital verarbeitet werden, sei der Aufwand nicht geringer geworden: Erst nach der Prüfung durch ein interdisziplinäres Wissenschaftler-Team wird ein Impfstoff freigegeben.

«Die Zulassungsanforderungen können für vielversprechende Therapieoptionen entsprechend der aktuellen Situation angepasst werden», versichert Swissmedic. Derartige Arzneimittel dürfen unter Umständen nach Einreichung eines Zulassungsgesuchs bis zum Entscheid der Swissmedic in Verkehr gebracht werden. «Solche Arzneimittel können auch erleichtert eingeführt werden.»

Marktreife ist nur der erste Schritt zur Impfung gegen das Coronavirus

Ist ein Impfstoff zugelassen, bedeutet das noch nicht, dass die Menschen auch geimpft werden können: Nach der Zulassung muss der Impfstoff erst in genügenden Mengen produziert werden. Für einen vollständigen Schutz gegen das Coronavirus muss quasi die gesamte Bevölkerung geimpft werden.

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Juni 1974: Nachdem es einen Diphterie-Ausbruch gab, werden über 40'000 Personen im Thurgau und St. Gallen geimpft. - Keystone

Alleine für die Schweiz benötigt man also rund 8 Millionen Impfstoff-Dosen. Für eine weltweit flächendeckende Impfung werden entsprechend mehrere Milliarden Dosen benötigt.

Klar ist, dass sich trotz erster Erfolge derzeit noch alle Impfstoffe in einer frühen Entwicklungsphase befinden. Es ist jedoch auch offensichtlich, dass die Menschheit noch nie so viel Energie in die Entwicklung eines Impfstoffs gesteckt hat. Man kann also weiter auf einen schnellen Durchbruch bei der Impfstoff-Marktreife im Kampf gegen das Coronavirus hoffen.

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