Muss die Schweiz in der Migrationspolitik nachziehen?

Nicola Aerschmann
Nicola Aerschmann

Bern,

Viele europäische Länder verschärfen ihre Regeln in Sachen Migration. Politiker schätzen ein, ob die Schweiz nun ebenfalls reagieren muss.

Migration
Unter anderem Grossbritannien greift beim Thema Migration durch. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Europa hat der Wind bei Migrationsfragen gedreht.
  • Österreich, Deutschland und Grossbritannien sind drei bekannte Beispiele dafür.
  • Was sollte die Schweiz tun? Pascal Schmid (SVP) und Marc Jost (EVP) nehmen Stellung.

In der europäischen Migrationspolitik findet derzeit eine Art Trendwende statt. Die neuen Regierungen in Österreich und Deutschland haben zuletzt Verschärfungen beschlossen. Jüngst hat auch Grossbritannien angekündigt, durchgreifen zu wollen.

Besonders auffällig: Alle drei Regierungen sind eigentlich eher links oder zumindest in der Mitte zu verorten. Was bedeutet diese Kehrtwende nun für die Schweiz? Muss man hierzulande nachziehen?

Strengere Migrationspolitik als logische Konsequenz

«Dass jedes Land seine Migration unter Kontrolle haben will, ist verständlich und auch nicht neu», sagt EVP-Nationalrat Marc Jost. Aktuell seien aber viele Menschen in Europa verunsichert. Das mache «einfache Antworten populärer, aber nicht unbedingt zielführender».

«Leider werden oft Menschen, die aus einer Notlage fliehen, zum Sündenbock gemacht. Zur Lösung von echten Problemen bringt das aber nichts», führt der Berner aus. Stattdessen sollten Länder, die weniger Migration wollen, mehr in die internationale Zusammenarbeit oder die Friedensförderung investieren.

Für SVP-Asylchef Pascal Schmid ist der aktuelle Trend «keineswegs überraschend», sondern «längst absehbar». Der Thurgauer Nationalrat führt aus: «Die schädlichen Folgen der Willkommens-Asylpolitik von Mitte-links können in vielen Ländern nicht länger unter den Tisch gewischt werden.»

Harter Migrationskurs als Strategie gegen rechts – EVP-Jost zweifelt

Es stellt sich zudem die Frage, weshalb nun auch Mitte-links-Regierungen die Migration einschränken. In Grossbritannien ist die Labour-Partei um Premier Keir Starmer an der Macht. In Deutschland und Österreich sind es Koalitionen mit sozialdemokratischer Beteiligung.

Jost sagt dazu zunächst: «Es ist wichtig, dass die Regierung, egal welcher Partei, auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Bevölkerung eingeht.» Die Massnahmen müssen aber fair sein, ist für den EVP-Politiker klar.

Marc Jost
EVP-Nationalrat Marc Jost. - keystone

Hinter den Verschärfungen stecken aus der Sicht von Jost oft auch strategische Überlegungen. «Moderate Parteien erhoffen sich mit einer strengeren Migrations- und Asylpolitik, den rechten Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen.» Allerdings sei diese Strategie schon zu oft gescheitert.

Das Volk wähle in so einem Fall eher «das Original als die Kopie». Jost sagt deshalb: «Bei der EVP machen wir hier nicht mit. Wir wollen uns lieber durch konstruktive, vernünftige und nachhaltige Lösungen unterscheiden als durch politische Schnellschüsse.»

SVP-Schmid: Schweiz muss «unbedingt» nachziehen

Wie sollte die Schweiz nun handeln? Braucht es hierzulande ebenfalls eine strengere Zuwanderungspolitik?

Unbedingt, sagt SVP-Mann Schmid. «Die Larifari-Asylpolitik mit offenen Grenzen ist eine Gefahr für die Sicherheit unserer Bevölkerung.»

Pascal Schmid
SVP-Asylchef Pascal Schmid. - keystone

Allerdings würden die Zeichen der Zeit in Bern immer noch nicht erkannt, moniert Schmid. Als Beispiel nennt er einen SVP-Vorstoss, der forderte: Wer über sichere Drittstaaten einreist, wird an der Grenze zurückgewiesen. Diese Massnahme, die Deutschland inzwischen ergriffen hat, wurde in National- und Ständerat abgelehnt.

Schmid kritisiert in diesem Zusammenhang auch Bundesrat Beat Jans. Statt Deutschland «für den wegweisenden Schritt» zu danken und nachzuziehen, kritisiere der Justizminister die Regierung in Berlin.

Braucht die Schweiz eine härtere Migrationspolitik?

Marc Jost von der EVP sagt derweil: «Ich sehe kein Problem, wenn Grenzkontrollen verstärkt werden. Die Schweiz sollte aber nicht der Versuchung erliegen, das Asylrecht grundsätzlich infrage zu stellen.» Denn, wenn man die Rechte von Migranten infrage stelle, könnten plötzlich auch die Rechte aller ins Wanken geraten.

Als Negativbeispiel nennt Jost die Streichung des Familiennachzugs bei vorläufig Aufgenommenen. «Hier wurde eine rote Linie überschritten», ist für ihn klar. Eine entsprechende Motion erreichte im Nationalrat nämlich eine Mehrheit. Im Ständerat scheiterte der Vorstoss dann allerdings.

«Dämpfender Einfluss» oder «Asylchaos»?

Jost glaubt derweil nicht, dass die strengere Migrationspolitik anderer Länder dazu führt, dass mehr Menschen in die Schweiz kommen. Der EVP-Mann erwartet eher einen «dämpfenden Einfluss».

Dies, da die Schweiz stark in die europäischen Migrationsmechanismen eingebunden sei. Durch die Strenge anderer Länder sehen weniger Leute die Schweiz als Zielland – oder gelangen überhaupt bis dorthin.

Beat Jans
Klar ist: Beat Jans und der Bundesrat müssen sich auch in Zukunft mit dem Thema Migration beschäftigen. - keystone

Anders sieht es Pascal Schmid. «Wenn der Bundesrat nicht rasch handelt, droht uns ein noch viel grösseres Asylchaos», ist für ihn klar. Tausende an den deutschen Grenzen zurückgewiesene Asylmigranten würden dann nämlich in der Schweiz stranden.

Er führt aus: «Dabei sind die Asylbestände, die Asylkosten und die Asylkriminalität bereits jetzt auf Rekordniveau. Und die Kapazitäten der Kantone und Gemeinden am Anschlag

Bundesrätliche Schutzklausel erntet Kritik

Am Mittwoch hat der Bundesrat eine Massnahme vorgestellt, um die Migration allenfalls eindämmen zu können. Die Schutzklausel soll greifen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Dann könnte die Personenfreizügigkeit mit der EU eingeschränkt werden.

Allerdings erntete das Vorhaben Kritik von links bis rechts. Die SVP sprach gar von einem «Bschiss erster Güte». Der Gewerkschaftsbund SGB findet die Massnahme schlicht unnötig.

Kommentare

Huldrych Ammann

Einwanderung ist wie Wasser: Wenn die Dämme rundherum überall erhöht werden, fliesst das Wasser zum niedrigsten Ort.

Bongiorno John Porno

Ja unbedingt.... längst fällig. Was für eine blöde Frage

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