Das taugen die Kaufkraft-Forderungen der Parteien

Alle wollen die Kaufkraft des Mittelstands stärken, aber mit unterschiedlichen Rezepten. Wie viele Franken sparen Benzinpreissenkung, Prämienverbilligung & Co.?

Die Stärkung der Kaufkraft des Mittelstandes gab an der Sommersession viel zu reden. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kaufkraft des Schweizer Mittelstandes schwindet.
  • Die SP will bei der Krankenkasse entlasten, die SVP beim Benzin, Die Mitte bei der Rente.
  • Doch welche Massnahme hilft wirklich und wie stark?

Arm und Reich driften immer mehr auseinander, Renten werden knapp und der untere Mittelstand kann die Krankenkassenprämien kaum bezahlen. Geldsorgen beschäftigen Bevölkerung und Politik nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Entsprechend sind Rezepte, um die Kaufkraft des Mittelstands zu stärken, schnell zur Hand. Doch wie viel Geld bleibt am Ende des Monats mehr im Portemonnaie, wenn Benzin oder Krankenkassenprämien verbilligt werden?

Simpler Ansatz: Mehr Lohn

Am einfachsten abzuschätzen ist dies bei denjenigen Forderungen, die bei den Löhnen ansetzen. Oder bei den Renten, wie es unter anderem «Die Mitte» fordert: Bei der AHV soll die Teuerung sofort ausgeglichen werden, nicht wie geplant erst 2023. Bei der erwarteten Inflation von 2,5 Prozent wären dies rund 60 Franken pro Monat bei der Maximalrente.

Mitte-Präsident Gerhard Pfister spricht während der Delegiertenversammlung der Mitte-Partei am 7. Mai 2022, in der Lintharena in Naefels GL. - Keystone

Auf 60 Franken sei auch der Nachholbedarf beim untersten Lohnsegment seit 2016 aufgelaufen, sagen die Gewerkschaften. Deshalb seien Lohnerhöhungen gerade jetzt besonders wichtig.

So viel verdient der Mittelstand 2019 gemäss BFS, anhand des Bruttoeinkommens zweier Haushalttypen: Grenzbeträge auf Basis der Gesamtbevölkerung. - BFS / Nau.ch

Bei den Haushalten mit unteren und mittlerem Einkommen will die SP dagegen mit Prämienverbilligungen ansetzen. Ihre Volksinitiative verlangt, dass maximal 10 Prozent des Einkommens für Krankenkassenprämien draufgehen sollte. Der Gegenvorschlag des Nationalrats lautet: 2,2 Milliarden Franken zusätzlich für Prämienverbilligungen. Theoretisch und im Durchschnitt wären das für die anderthalb Millionen betroffenen Haushalte knapp 120 Franken.

Mehr Kaufkraft dank weniger Steuern

Komplizierter wird die Sache, wenn die Kaufkraftförderung nicht direkt bei Einnahmen (Lohn) oder Ausgaben (Krankenkassenprämien) ansetzt. Gerade bei den Prämien rühmt sich die SVP gezielter Entlastung der «hart arbeitenden Steuerzahler». Die Mitte-Links-Prämienverbilligungsschiene sei eine Mogelpackung. Weil vom Parlament so beschlossen, setzt der Bundesrat just diese Woche aber einen SVP-Vorstoss um: Die Erhöhung der Abzüge für Prämien bei den Bundessteuern.

Im Nationalrat: Fabian Molina (SP-ZH), Brigitte Crottaz (SP-VD), Maya Graf (Gruene-BL), Nadine Masshart (SP-BE), Rebecca Ruiz (SP-VD) und Yvonne Feri (SP-AG), hören sich während der Debatte um die Krankenkassen-Franchise die Antwort von Raymond Clottu (SVP-NE) an. - Keystone

Die Auswirkungen aufs Portemonnaie zu berechnen ist komplex: Nicht alle zahlen gleich viele Steuern, nicht alle arbeiten gleich hart, dazu kommen die kantonalen Unterschiede. Das Finanzdepartement von Bundesrat Ueli Maurer hat es auf einem Dutzend Seiten trotzdem versucht, doch das Ergebnis gefiel Maurer nicht: Fast die Hälfte der Steuerersparnis kommt den allerhöchsten Einkommen zugute.

So würden die verschiedenen Einkommensklassen profitieren, wenn der Prämien-Abzug bei der Bundessteuer erhöht würde. - Eidgenössische Steuerverwaltung

Ein Normalverdiener könnte sich dagegen immerhin einen Kaffee pro Monat mehr leisten. Oder wie SP-Nationalrätin Jacqueline Badran vorrechnete: Die zehn Prozent Bestverdiener sparen sich in vier Jahren ein Gucci-Täschchen zusammen.

Weniger Ausgaben beim Tanken und Heizen

Ebenfalls uneinheitlich profitieren würden Herr und Frau Normalverbraucher bei der Verbilligung von Benzin und Heizöl. Die SVP forderte beispielsweise, dass jegliche Mineralölsteuern um mindestens 50 Prozent gesenkt würden. Der Einfachheit halber rechnen wir mit Preisen vor und nach Beginn des Ukraine-Kriegs.

Bei durchschnittlich 15'000 Kilometern pro Jahr und durchschnittlichen 7,7l/100km zahlt man derzeit etwa 210 Franken pro Monat für den Sprit. «Vorher» waren es rund 60 Franken weniger. Heizöl ist sogar fast doppelt so teuer geworden. Allein durch den Verzicht auf Steuern wären die theoretischen Einsparungen von über 150 Franken pro Monat wohl nicht zu erreichen.

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Beim Heizen mit Öl ansetzen will indes auch die SP. Mieter sollen gegen Energiepreise versichert werden, die zu mehr als 30 Prozent Preisaufschlag führen. Dies hiesse, dass die ersten 30 Prozent trotzdem selbst bezahlt würden. Der eingesparte Betrag wäre so hoch, wie die Prozente über 30.

Maximal denkbare Kaufkraft-Steigerung je nach Massnahme, in Klammern die begünstigten Bevölkerungsgruppen. - Nau.ch

Doch nicht alle haben eine Ölheizung. Nicht jeder ist bereits Rentner. Nicht jeder zahlt so viel Bundessteuer, dass er davon Tausende von Franken abziehen könnte. Nicht jeder fährt gleich viel Auto und nicht jeder wählt die gleiche Krankenkassen-Franchise.

Doch wer zählt sich schon nicht zum Mittelstand?