Lawrow in Ankara – Schuldzuweisung statt Lösung in Getreide-Krise

Bei seinem Besuch in der Türkei hat Russlands Aussenminister Sergej Lawrow jegliche Schuld an der Getreide-Blockade in der Ukraine von sich gewiesen.

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow ist zu Besuch in der Türkei. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Sergej Lawrow ist am heutigen Mittwoch in der Türkei zu Besuch.
  • Dabei wies er im Streit um Getreide-Blockaden in der Ukraine jegliche Schuld von sich.
  • Gemäss dem russischen Aussenminister ist das Land selbst dafür verantwortlich.

Im Streit um die Blockade von ukrainischem Getreide in Häfen am Schwarzen Meer hat Russland jegliche Schuld von sich gewiesen. Aussenminister Sergej Lawrow machte bei einem Besuch in der Türkei am Mittwoch die Ukraine selbst dafür verantwortlich.

Die Ukraine weigere sich bislang, ihre Häfen zu entminen oder anderweitig Durchfahrten von Frachtschiffen zu gewährleisten. Dies sagte Lawrow nach einem Treffen mit dem türkischen Aussenminister Mevlüt Cavusoglu in Ankara. Konkrete Ergebnisse wie etwa die Einrichtung eines Sicherheitskorridors brachte das Treffen nicht.

Mevlut Cavusoglu, Aussenminister der Türkei, spricht bei einer Pressekonferenz. - dpa

Faktisch blockiert die russische Marine seit Beginn des Angriffskriegs auf das Nachbarland vor mehr als drei Monaten die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen. Die Ukraine, weltweit der viertgrösste Getreideexporteur, sitzt deshalb auf den eigenen Vorräten fest.

Nach ukrainischen Angaben können mehr als 23 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten nicht exportiert werden. Vor dem Krieg gingen 90 Prozent des Exports über die Häfen hinaus. Drei davon – Mariupol, Berdjansk und Cherson – sind unter russischer Kontrolle. Der Hafen in Mykolajiw ist schwer beschädigt, daher laufen nun die Verhandlungen in erster Linie über die Freigabe von Odessa.

Streit um Getreide-Blockaden hält an

Die Gespräche sind allerdings von Misstrauen und Vorwürfen geprägt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigt Moskau etwa des Getreidediebstahls. So hätten die russischen Truppen aus den Besatzungsgebieten bereits eine halbe Million Tonnen Getreide geraubt.

«Wir sind bereit, die Sicherheit von Schiffen zu gewährleisten, die die ukrainischen Häfen verlassen», sagte Lawrow weiter. Mit Blick auf die Ukraine fügte er hinzu: «Wenn sie jetzt – wie uns unsere türkischen Freunde sagen – bereit ist, entweder Minen zu räumen oder den Durchgang durch Minenfelder zu gewährleisten, dann hoffen wir, dass dieses Problem gelöst wird.» Cavusoglu sagte, die Türkei befürworte einen Plan der Vereinten Nationen, der alle drei Länder einbeziehe. Kiew und Moskau müssten dem aber noch zustimmen.

Die Getreideausführ über das Schwarze Meer soll wieder möglich sein (Symbolbild). - Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa

Russland fordert die Entschärfung von Seeminen in den Gewässern vor der Schwarzmeer-Küste, damit der Schiffsverkehr sicher sei. Dabei könnten türkische Experten helfen. Die Ukraine befürchtet im Falle der Einrichtung von Durchfahrtskorridore allerdings neue Angriffe der russischen Kriegsmarine. Diese Vorwürfe wies Lawrow in Ankara allerdings zurück.

Russland wiederum will verhindern, dass Schiffe verdeckt Kriegsgerät in die Ukraine bringen. Das russische Verteidigungsministerium schlug vor, den Hafen der besetzten ukrainischen Stadt Mariuopol am Asowschen Meer für den Getreideexport zu nutzen.

Von der Leyen macht Russland für Hungersnöte verantwortlich

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte Russlands Krieg gegen die Ukraine für drohende Hungersnöte auf der Welt verantwortlich. «Lebensmittel sind nun zu einem Teil des Terrorarsenals des Kremls geworden», sagte die deutsche Politikerin im Strassburger Europaparlament. «Dies ist eine kalte, gefühllose und kalkulierte Belagerung durch Putin gegen einige der verletzlichsten Länder und Menschen der Welt.»

Der Sondergesandte des ukrainischen Präsidenten für die EU-Perspektive des Landes, Oleksij Tschernyschow, warnte: Wegen der Blockade Russlands drohe eine Hungerkrise etwa in den nordafrikanischen Ländern. «Es könnte sogar zu Migrationsbewegungen kommen. Wir reden hier über Ägypten, Tunesien und andere nordafrikanische Länder», sagte er RTL/ntv.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht im EU-Parlament in Strassburg. - keystone

Lawrow spielte jedoch die weltweite Sorge vor Hungerkrisen herunter. Das Problem beim Export von ukrainischem Getreide werde vom Westen als «universelle Katastrophe» eingestuft. Dabei mache der ukrainische Anteil an der weltweiten Produktion von Weizen und anderen Getreidearten weniger als ein Prozent aus.

Später fügte Lawrow hinzu: «Von unserer Seite gab es nie irgendwelche Hindernisse, um dieses Problem – in Wirklichkeit ein Problemchen, es ist klein – zu lösen. Sollten die Kiewer Behörden reifen, werden wir nur zu gerne kooperieren.»

Russlands Militär-Operation laufe «nach Plan»

Russlands Aussenminister erklärte zudem, dass aus Moskauer Sicht in der Ukraine militärisch alles «nach Plan» laufe. Die Ziele der «militärischen Spezial-Operation» – wie der Krieg offiziell genannt wird – würden erreicht, meinte Lawrow.

Die Türkei sieht sich seit Kriegsbeginn Ende Februar in der Vermittlerrolle. Das Land unterhält sowohl zu Russland und zu Ukraine enge Beziehungen. Ankara hat sich nicht an Sanktionen gegen Moskau beteiligt. Die Ausnahme bildet die Sperrung ihres Luftraums für militärische und zivile Flugzeuge, die Soldaten aus Russland nach Syrien bringen.

Im März hatten sich ukrainische und russische Delegationen in Istanbul getroffen. Zuvor waren Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba in der Mittelmeerstadt Antalya zusammengekommen.