Bundesregierung hebt Reisewarnung für Risikogebiete auf

Trotz stark sinkender Infektionszahlen in Europa rät die Bundesregierung bisher noch generell von Urlaubsreisen ins Ausland ab. In drei Wochen soll sich das ändern - kurz nach Beginn der Sommerferien.

Touristen geniessen den Ritsa-Strand in Kardamyli, einer Stadt am Meer fünfunddreissig Kilometer südöstlich von Kalamata, Peloponnes. Foto: Socrates Baltagiannis/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach mehr als einem Jahr hebt die Bundesregierung die Reisewarnung für touristische Reisen in Corona-Risikogebiete am 1. Juli auf.

Das betrifft derzeit fast 100 Staaten weltweit ganz oder teilweise, darunter zum Beispiel die Nachbarländer Frankreich, Niederlande, Dänemark und Belgien.

«Nach langen Monaten des Lockdowns dürfen wir uns auf mehr Normalität freuen, das gilt auch für das Reisen», erklärte Aussenminister Heiko Maas (SPD) die Entscheidung. Die Ankündigung erfolgt eine Woche bevor die Sommerferien in den ersten Bundesländern beginnen. Die Neuregelung tritt aber erst danach in Kraft.

Die Bundesregierung rät ab 1. Juli auch nicht mehr generell von touristischen Reisen ins Ausland ab. Für EU-Länder sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz, die nicht mehr als Risikogebiet eingestuft sind, wird künftig in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts nur noch «um besondere Vorsicht gebeten». Das betrifft zum Beispiel Italien, grosse Teile Spaniens und ab kommenden Sonntag auch ganz Österreich.

Reisewarnung nur noch für etwa 40 Länder

Die Neuregelung ist ein weiterer grosser Schritt in Richtung Normalisierung des Reiseverkehrs angesichts der zumindest in Europa abflauenden Corona-Pandemie. Maas hatte zu Beginn der Pandemie am 17. März 2020 eine weltweite Reisewarnung für Touristen ausgesprochen. Hintergrund war, dass damals viele Urlauber wegen der plötzlichen Kappung von Flugverbindungen im Ausland gestrandet waren und in einem beispiellosen Kraftakt nach Deutschland zurückgeholt werden mussten. Im September wurde die Warnung dann auf Corona-Risikogebiete mit einer Infektionszahl von mehr als 50 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen beschränkt.

Jetzt wird die Regelung nochmals deutlich gelockert. Ab dem 1. Juli wird die Reisewarnung erst ab einer Inzidenz von 200 gelten und für Gebiete, in denen sich gefährliche Virusvarianten stark verbreitet haben. Das sind weltweit nur etwa 40 von insgesamt rund 200 Ländern. In Europa gibt es solche Gebiete fast gar nicht mehr. Nur Grossbritannien ist derzeit noch als Virusvariantengebiet eingestuft.

Maas: Keine Einladung zur Sorglosigkeit

Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts soll vor allem abschreckende Wirkung haben. Vor Corona wurde sie nur für Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien, Jemen oder den Gaza-Streifen ausgesprochen. Die generelle Reisewarnung für Touristen war ein bisher einmaliger Schritt. Die praktischen Auswirkungen sind aber begrenzt. Urlaubern ermöglicht die Reisewarnung vor allem eine kostenlose Stornierung von Buchungen.

Maas verbindet mit der Änderung ein klares Signal an Sommerurlauber. «Mit dem Sommer kehren Hoffnung und Zuversicht nach Deutschland zurück», sagte er. Der SPD-Politiker betonte aber auch, dass es keine Einladung zur Sorglosigkeit sei. «Reisen mit Vernunft und Augenmass, das ist das Motto dieses Sommers. Die Gefahr durch das Virus und seine Mutanten ist noch lange nicht gebannt.»

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiss, bezeichnete die Aufhebung der generellen Reisewarnung für Risikogebiete als wichtige Botschaft für die Reisebranche. «Die Stigmatisierung des Reiseverkehrs wird damit endlich zurückgeführt.»

Österreich ab Sonntag kein Risikogebiet mehr

Die Zahl der Risikogebiete in Europa wird am Sonntag noch einmal deutlich gesenkt. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab am Freitag bekannt, dass dann ganz Österreich sowie Teile Griechenlands, Kroatiens und der Schweiz von der Risikoliste gestrichen werden. Wer aus diesen Gebieten auf dem Landweg nach Deutschland kommt, muss künftig keinerlei Einreisebeschränkungen wegen Corona mehr beachten.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz freute sich über den Schritt. «Die Entscheidung der deutschen Regierung ist ein wichtiges Signal für die bevorstehende Sommersaison im Tourismus», sagte er. Für die meisten österreichischen Bundesländer war die Einstufung als Risikogebiet für Reisende aus Deutschland bereits vor einer Woche aufgehoben worden. Ab Sonntag gilt das auch für die noch ausstehenden Länder Vorarlberg und Tirol, das beliebteste Reiseziel der Deutschen in dem Alpenland.

Wer aus Deutschland nach Österreich einreist, muss allerdings auch weiterhin einen negativen Antigen- oder PCR-Test vorweisen können. Davon ausgenommen ist, wer eine Impfung nachweisen kann oder bereits an Corona erkrankt und genesen ist.

Auch USA und Kanada «risikofrei»

Auch die Urlaubsinseln Madeira in Portugal und Zypern sowie zwölf weitere Länder auf dem Balkan, in Osteuropa, Asien und Nordamerika werden von der Risikoliste gestrichen, darunter die USA und Kanada. In diesen beiden Ländern gilt aber nach wie vor eine Einreisesperre für Deutsche, die nicht dort leben. Ausserdem sind folgende Staaten ab Sonntag keine Risikogebiete mehr: Armenien, Aserbaidschan, Bosnien, Kosovo, Libanon, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und die Ukraine. Hinzu kommen zwei Regionen in Norwegen.

EU lockert ebenfalls Reiseregeln

Die EU-Staaten bemühen sich unterdessen darum, die Reiseregeln gemeinsam weiter zu lockern. Am Freitag vereinbarte Leitlinien sehen vor, Regionen künftig erst bei deutlich höheren Inzidenzzahlen als Risikogebiet einzustufen. Dies soll dazu führen, dass weniger Menschen unter strenge Test- und Quarantäneauflagen fallen und innerhalb der EU wieder mehr gereist werden kann. Geimpfte und Genesene sollen zudem in der Regel einheitlich gar keine Reisebeschränkungen zu befürchten haben.

Nach der Einigung sollen Gebiete zum Beispiel nur noch dann als «rotes» Corona-Risikogebiet ausgewiesen werden, die in den 14 Tagen zuvor zwischen 200 und 500 neue Fälle pro 100.000 Einwohner gemeldet haben - oder zwischen 75 und 200 bei einem Anteil positiver Corona-Tests von über 4 Prozent. Früher hatten die unteren Grenzwerte noch bei 50 beziehungsweise 150 gelegen.

Inwieweit die einzelnen Mitgliedstaaten die Regelung umsetzen, ist aber unklar. Aus Regierungskreisen in Berlin hiess es, dass aktuell keine Änderungen der deutschen Kriterien für die Einstufung von Risikogebieten geplant sei.