Seit Jahren verläuft die Tour de France skandalfrei. Die Veranstalter werten dies als Erfolg im Anti-Doping-Kampf. Manch ein Experte ist da skeptischer und verweist auf die Operation Aderlass. Verfeinerte Testverfahren sollen als Abschreckung dienen.
Der ehemalige Radrennfahrer Stefan Schumacher glaubt nicht an einen grossen Doping-Sinneswandel im Peloton. Foto: Sebastian Gollnow
Der ehemalige Radrennfahrer Stefan Schumacher glaubt nicht an einen grossen Doping-Sinneswandel im Peloton. Foto: Sebastian Gollnow - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der letzte schwerwiegende Dopingfall bei der Tour de France liegt schon sieben Jahre zurück.

Eine halbe Ewigkeit im Vergleich zu Zeiten, als die Skandale nahezu täglich das französische National-Heiligtum erschütterten. Alles sauber also inzwischen im Radsport? Mitnichten.

Das ist jedenfalls die Meinung von Experten wie Fritz Sörgel oder geständigen Dopingsündern wie Stefan Schumacher und Jörg Jaksche. Sie verweisen auf die Operation Aderlass bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld, die auch den Radsport erfasst hat.

«Die aktuellen Ereignisse mit zahlreichen Dopingfällen im Radsport, aber auch anderen Sportarten zeigen, dass sich nicht wirklich etwas geändert hat. Es trifft komischerweise hauptsächlich Leute aus der zweiten Reihe und so gut wie nie bei den grossen Rennen wie der Tour», sagte Schumacher der Deutschen Presse-Agentur vor dem Start der 106. Frankreich-Rundfahrt. Ähnlich sieht es Jörg Jaksche. «Es wird fast so schnell gefahren wie zu den Doping-Hochzeiten. Die Athleten greifen immer noch dazu. Weil es gewollt ist und weil es erwartet wird», erklärte der Doping-Kronzeuge in der TV-Sendung «Sport im Osten» des MDR.

Jörg Werner, Manager der Tour-Starter Maximilian Schachmann und Tony Martin, widersprach den Ex-Profis vehement und nannte Jaksche und Schumacher «ewig Gestrige». Die Situation sei mit früher nicht vergleichbar, ordnete er ein. «Man sieht, dass sich solche Leute gar nicht vorstellen können, dass es auch sauber geht», sagte Werner der Deutschen Presse-Agentur.

Die geringere Anzahl an Dopingfällen ist für Fachmann Sörgel hingegen eher ein Anzeichen, dass sich die Szene professionalisiert hat. «Wenn die Zahl der Tests erhöht oder intelligent getestet wird, dann trifft es die ohne mafiösen Schutz», sagte der Pharmakologe der dpa. Die Fahrer aus der zweiten und dritten Kategorie seien «bedauernswerte Personen in dem Millionenspiel und dienen dazu für das 'Schau her, die Dopingverfolgung funktioniert'.»

So sind im Erfurter Blutdopingskandal um den Arzt Mark S. grosse Namen bislang ausgeblieben. Die Österreicher Georg Preidler und Stefan Denifl, die inzwischen für vier Jahre gesperrt wurden, gehörten eher der Kategorie «Helfer» an. Und die früheren Topsprinter Danilo Hondo und Alessandro Petacchi befanden sich in den letzten Zügen ihrer Karriere, als sie Dopingkunde gewesen sein sollen.

Aufgewirbelt hat es die Branche gleichwohl. «Das war natürlich ein Riesenschock, dass es noch so etwas gibt», sagt Nils Politt, der zu den hoffnungsvollen Jungstars im deutschen Radsport zählt und eine strikte Anti-Doping-Haltung vertritt: «Ich fand es gut, dass es aufgeflogen ist. Was der Arzt da getrieben hat, war einfach unglaublich. Daher hoffe ich, dass, wenn es noch mehr Namen gibt, diese auch an die Öffentlichkeit kommen.»

An die Öffentlichkeit gekommen ist der Fall durch das Eingreifen der staatlichen Ermittler. Darin sieht Sörgel auch die Zukunft. Es müssten von der Verfolgerseite Grenzen überschritten werden, sagt Sörgel. Er ist verwundert, dass es vielen Radprofis wochenlang vor der Tour «möglich ist, sozusagen in den Funkschatten zu verschwinden, unerreichbar, optimal abgeschirmt.» Die Wochen vor der Tour ist für die Fahnder die entscheidende Phase. Ist das Rennen erstmal gestartet, wird kaum ein Profi mehr erwischt. Der letzte Dopingsünder bei der Tour war der Italiener Luca Paolini 2015 - jedoch wegen Kokainmissbrauchs. Davor flog der Luxemburger Fränk Schleck 2012 auf.

Dabei sind die Kontrollen immer besser geworden. Und jüngst ist es dem Labor im französischen Châtenay-Malabry gelungen, Mikrodosierungen von EPO bis 48 statt wie bisher 24 Stunden nach der Einnahme festzustellen. Und dann wäre da noch der Biologische Pass. Über Sinn und Unsinn des Instruments streiten sich die Experten. Der dänische Ex-Doper Michael Rasmussen konnte jedenfalls aufzeigen, dass seine Werte trotz Dopings nicht verdächtig waren. «Ich glaube nicht, dass der Blutpass nur ein PR-Gag ist», sagt Politt. Der deutsche Meister Maximilian Schachmann ergänzte: «Ob dieses Vorgehen total lückenlos ist oder abschreckend wirkt, kann ich nicht genau sagen. Aber zumindest schliesst es Vorgänge aus, die es früher gab.»

Das sieht auch der Weltverband UCI so und überführte Juan José Cobo wegen verdächtiger Werte aus dem Jahr 2011. Der Spanier bekam den Vuelta-Sieg aberkannt, Nutzniesser ist der damalige Zweite Chris Froome, was für Schumacher eine «Farce» ist: «Solange weiterhin bestimmte Leute zum Bauernopfer gemacht werden, während andere protegiert werden, hat das nichts mit glaubwürdigem Anti-Dopingkampf zu tun.»

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