Lewis Hamilton hält in der Formel 1 Kurs auf seinen fünften WM-Titel. Vettel wird sich wohl erneut hinter ihm anstellen müssen. Die möglichen Gründe dafür.
Lewis Hamilton von Team Mercedes gestikuliert vor dem Training auf dem Suzuka Circuit.
Lewis Hamilton von Team Mercedes gestikuliert vor dem Training auf dem Suzuka Circuit. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Titelverteidiger Lewis Hamilton steht kurz vor seinem fünften WM-Titel.
  • Bei Konkurrent Sebastian Vettel ist zu vieles schief gelaufen.

Der Moment wird sich in Vettels Gedächtnis einprägen. Die Erinnerung an die Szene, in der er im Juli im Grand Prix von Deutschland als Führender von der feuchten Strecke abgekommen und in einen Reifenstapel geschlittert war, wird er so schnell nicht verdrängen können. 0 statt 25 Punkte, Verlust der WM-Führung statt Ausbau des Vorsprungs. Es sollte der Wendepunkt im Titelduell sein, in dem Vettel vorübergehend die Vorteile auf seiner Seite wusste.

Wo sind sie also geblieben, Vettels Vorteile? Dass das Pegel in den letzten Wochen immer deutlicher Richtung Hamilton ausgeschlagen hat, haben Vettel und seine Leute teilweise selber zu verantworten. Das bittere Ende in Hockenheim hatte Symbolisches. Vettel auf Abwegen, Hamilton der Profiteur – es wird eines der Bilder sein, die haften bleiben nach einer Saison, in der bei der Scuderia Ferrari zu vieles schief gelaufen ist, weitere Patzer Vettels sowie taktische und strategische Fehler der Crew inklusive.

Der ungewöhnliche Aufruf

Sich häufende Fehler bei einer Equipe wie Ferrari rufen selbstredend die Kritiker auf den Plan. Das mediale Echo hat, gerade in Italien, nicht lange auf sich warten lassen. Der Schlendrian habe in Maranello Einzug gehalten, ist zu lesen. Als Beleg dafür werden die vielen Pannen aufgelistet. «La Repubblica», eine der bedeutendsten Zeitungen im Bel Paese, hat sogar zur Kapitulation im Titelduell aufgerufen.

Ausserhalb des Stiefels fallen die Reaktionen moderater aus. Nicht Schimpf und Schande stehen im Zentrum. Vielmehr wird versucht, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Handfestes haben die Diskussionen neben den Eigenfehlern nicht zutage gefördert. Die Meinungen gründen auf Annahmen. Die Formel 1 ist nicht nur als Ganzes, sondern auch innerhalb eines Teams ein sehr komplexes, für den Aussenstehenden nur schwer überblickbares Gebilde.

Die fehlende Struktur

Eine der Meinungen zielt darauf, dass bei der Scuderia keine klare Struktur erkennbar sei. Nach dem Tod von Sergio Marchionne, des Ferrari-Präsidenten und einstigen allmächtigen Chefs des Fiat-Chrysler-Konzerns, fehle die starke, ordnende Hand. Ausserdem sei die verhältnismässig hohe Fluktuation beim Personal in wichtigen Positionen dem Teamgefüge nicht förderlich. Dazu sei es Vettel auch im vierten Jahr im Dienst der Roten nicht gelungen, die gesamte Belegschaft hinter sich zu scharen. Die Verbundenheit, die einst die Zusammenarbeit mit Michael Schumacher geprägt hat, ist in der Ära Vettel noch nicht auszumachen.

Sebastian Vettel vom Team Scuderia Ferrari in Suzuka auf der Strecke beim Training.
Sebastian Vettel vom Team Scuderia Ferrari in Suzuka auf der Strecke beim Training. - dpa

Das unbestätigte Gerücht

Lediglich ein Gerücht ist, dass Ferrari die temporäre Dominanz auf illegalem Weg erreicht hatte. Ebenfalls nicht erwiesen ist, dass die Gesetzeshüter der FIA den Machenschaften der Roten nunmehr den Riegel geschoben und das Antriebskonzept als reglementswidrig taxiert haben.

Dass das Einschreiten der Stewards mit der abhanden gekommenen Überlegenheit auf Motorenseite zusammenhängt, erhärtet indessen den Verdacht auf unzulässiges Vorgehen. Dass der Leistungsüberschuss, der auf den Geraden krasse Züge angenommen hatte, Vettel und Kimi Räikkönen just zu jener Zeit wieder abhanden gekommen war, als die Verantwortlichen des Weltverbandes genauer hingeschaut haben, kann wohl kein Zufall sein.

Nicht nur wegen des vermuteten reglementarischen Fehltritts steht Maurizio Arrivabene in der Kritik. Dass dem seit bald drei Jahren wirkenden Teamchef fehlende Fachkompetenz vorgeworfen wird, geht allerdings ein bisschen gar weit. Arrivabene dürfte trotz aller unangenehmen Voten fest im Sattel sitzen. Das Vertrauen des neuen Ferrari-Präsidenten Louis Camilleri kommt nicht von ungefähr. Er und Arrivabene haben eine gemeinsame Vergangenheit beim Tabak-Unternehmen Philip Morris.

Wäre Marchionne noch am Leben, wäre der Teamchef womöglich ein anderer. Er hätte auf diesem Posten anstelle von Arrivabene früher oder später den Technischen Direktor Mattia Binotto installiert. Dass sich das Verhältnis des in Lausanne geborenen Italieners zu Landsmann Arrivabene abgekühlt haben soll, überrascht deshalb nicht.

Über interne Machtspiele und Risse in der Führungsetage kann nur gemutmasst werden. Ganz abwegig sind solche Gedanken nicht. Die Stimmung in Maranello dürfte nicht mehr ungetrübt sein. Gedreht hatte der Wind ein erstes Mal schon im Juli. In Hockenheim.

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