Das Gastspiel der Formel 1 unter den Flutlichtern von Singapur brachte einige Überraschungen mit sich. Die grösste davon heisst zweifellos Ferrari.
Sebastian Vettel Formel 1
Erster Sieg in der Formel 1 seit mehr als einem Jahr: Sebastian Vettel. - Twitter/@Vetteleclerc
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Sieg von Sebastian Vettel dank Team-Strategie sorgt bei Ferrari für Unfrieden.
  • Lewis Hamilton darf sich trotz Platz vier über seine ausgebaute WM-Führung freuen.
  • Für das Kuriosum des Tages sorgt Haas – mit einer Niederlage gegen einen Plastikbeutel.

Fast vierhundert Tage musste Sebastian Vettel nach dem Triumph beim Belgien-GP 2018 auf seinen 53. Grand-Prix-Sieg warten – und dann gelingt er ihm ausgerechnet in Singapur. Dass Jungstar Charles Leclerc von der Strategie eingebremst wird, stösst dem Monegassen indes sauer auf.

Und dann ist da noch Lewis Hamilton, der nur Vierter wird, seinen WM-Vorsprung aber dennoch ausbaut. Weil Mercedes bei Valtteri Bottas mittlerweile selbst auf den Anschein von Gleichbehandlung verzichtet. Hier sind die fünf Lehren aus dem GP von Singapur.

Lehre #1: Ferrari kann es ja doch noch

Spa-Francorchamps und Monza – dass die beiden Powerkurse dem Ferrari liegen würden, war klar. Aber Singapur, der rechtwinklige Stadtkurs mit seinen hohen Downforce-Anforderungen? Alles, was bisher aus der Formel 1 im Jahr 2019 zu lernen war, liess erahnen, dass Ferrari hier leiden würde.

Gelitten hat man auch, trotz dominanter Leclerc-Pole und überragendem Doppelsieg am Sonntag – aber hinter den Kulissen. Denn Jungstar Leclerc ist keiner, der sich mit der Rolle der Nummer zwei abfindet, nicht nach Spa und Monza. Der verlorene Singapur-Sieg – den er durchaus verdient hätte – wird den jungen Superstar zutiefst frustrieren.

Formel 1 Vettel Leclerc
Ein strahlender Sieger und ein genervter Zweiter: Charles Leclerc will für Sebastian Vettel in der Formel 1 nicht die zweite Geige spielen. - keystone

Dabei hatte Ferrari guten Grund für seine strategische Entscheidung. Hätte man Leclerc zuerst an die Box geholt, hätte sich Vettel womöglich hinter Max Verstappen wiedergefunden. Dann wäre statt des Doppelsieges «nur» ein erster und ein dritter Platz gelungen. Das mag wie Jammern auf hohem Niveau klingen, ist in der Formel 1 für die Konstrukteurswertung aber unter Umständen entscheidend.

Lehre #2: Und wieder heisst der Sieger Lewis Hamilton

Nach Startplatz zwei nur Vierter zu werden ist zweifellos nicht der Anspruch von Lewis Hamilton. Und erst zum zweiten Mal in diesem Jahr – nach Hockenheim – steht kein Mercedes-Pilot auf dem Podium. Da wäre es verständlich, wäre der angehende Sechsfach-Weltmeister Hamilton verstimmt aus Singapur abgereist.

Tatsache ist aber: Hamilton kann durchaus zufrieden sein. Denn sein Vorsprung in der Weltmeisterschaft ist trotz Ferrari-Doppelsieg sogar gewachsen. Sein erster WM-Verfolger Valtteri Bottas wurde nämlich nur Fünfter. Weil Mercedes den Finnen zurückpfiff, um Hamilton vorbeizulassen.

Lewis Hamilton Formel 1
Lewis Hamilton baute seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft sogar noch um zwei Pünktchen aus. - keystone

Damit ist auch klar: Bei den Silberpfeilen ist die Illusion von Gleichbehandlung der beiden Piloten dahin. Und Bottas muss klar sein, dass er in der Formel 1 nicht Weltmeister werden kann, solange er Hamiltons Teamkollege ist. Der Finne nimmt's trotzdem sportlich: «Natürlich hatte ich heute das Potenzial für mehr, aber so sind die Regeln. Das ist in Ordnung.»

Lehre #3: Haas verliert gegen ein Stückchen Plastik

Das krisengebeutelte Haas-Team hätte in Singapur wirklich eine kleine Motivationsspritze gebrauchen können. Nicht nur, dass man nach dem Rich-Energy-Debakel ohne Hauptsponsor dasteht; die ganze bisherige Saison ist eine Enttäuschung. Da tat es wirklich gut, dass Kevin Magnussen auf Kurs zu Platz acht lag.

Bis der Däne nach der Safety-Car-Phase plötzlich dramatisch einbrach, um rund vier Sekunden pro Runde. An der Box stellte man einen dramatischen Verlust von Abtrieb am Frontflügel fest und vermutete schon einen Schaden. Drei Runden vor Schluss holte man Magnussen an die Box – und stellte fest, dass ein Plastikbeutel im Frontflügel hing.

Formel 1 Magnussen Plastik
Vorne links an Magnussens Frontflügel lässt sich der Plastikbeutel als heller Fleck erkennen. - Twitter/@FormulaRapidaEN

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein millionenteures Aero-Konstrukt wie ein Formel-1-Auto an einem Plastikbeutel scheitert. Die Situation ist aber auch symptomatisch für die katastrophale Saison, die Haas erlebt. Schlimmer hat es eigentlich nur Williams erwischt.

Lehre #4: Williams wartet nur auf den «Schlusspfiff»

Nirgendwo sonst im Fahrerlager der Formel 1 wird man so sehnlich auf den Abu-Dhabi-GP am 1. Dezember warten wie in der Williams-Box. Die Saison 2019 wird wohl als das schlimmste Jahr in der Team-Geschichte in die Annalen eingehen. Das Comeback von Robert Kubica geht dann ebenfalls zu Ende, und das britische Traditionsteam darf nach vorne blicken.

Für 2020 hat die Entwicklung bereits früh begonnen – weil absehbar war, dass 2019 kein Blumentopf zu gewinnen ist. Zudem leidet das Team-Klima erheblich unter dem unzufriedenen Kubica. Seine Anschuldigungen, das Team bevorzuge Jungstar George Russell, halfen nicht in einer ohnehin schwierigen Lage.

Formel 1 George Russell
Erster Ausfall für George Russell in der Formel 1 – dank Romain Grosjean. - Twitter/@HasRussellScore

Dass Russell in Singapur von Romain Grosjean abgeschossen wurde, half nicht. Für den jungen Briten, immerhin amtierender Formel-2-Champion, ist es der erste Ausfall in seiner Rookie-Saison. Er ist für 2020 bei Williams gesetzt, neben ihm wird wohl Nicholas Latifi Platz nehmen.

Lehre #5: Aus dem Nichts ist die Formel 1 spannend

Nach acht Rennen war die Formel 1 in Sachen Weltmeisterschaft bereits ein Selbstläufer für Mercedes. Bei noch sechs verbleibenden Grand-Prix-Wochenenden besteht nur noch mathematischer Zweifel an Lewis Hamiltons sechstem WM-Titel. Aber die vergangenen sieben Rennen zeichneten ein völlig anderes Bild der Formel 1.

Formel 1 Singapur-GP
Ferrari vor Red Bull und Mercedes – nur eine Momentaufnahme, aber eine, die Hoffnung für 2020 macht. - dpa

Die Bilanz: Zwei Siege für Red Bull durch Max Verstappen, zwei für Mercedes durch Hamilton, gar drei für Ferrari. Hätten die Scuderia und die Bullen schon zu Saisonbeginn diese Form gezeigt, die Saison 2019 wäre ganz anders verlaufen.

Für das laufende Jahr ist das freilich zu spät, Leclerc, Verstappen und Vettel können nur noch auf WM-Rang zwei hoffen. Aber für die Saison 2020, in der keine dramatischen Regeländerungen bevorstehen, verspricht die Formkurve durchaus Spannung.

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