Dem russischen Leichtathletik-Team droht weiter der Ausschluss von der WM.
Hat den Präsidenten des russischen Leichtathletik-Verbandes zum Rücktritt aufgefordert: Goldmedaillengewinnerin Marija Lassizkene. Foto: Hendrik Schmidt
Hat den Präsidenten des russischen Leichtathletik-Verbandes zum Rücktritt aufgefordert: Goldmedaillengewinnerin Marija Lassizkene. Foto: Hendrik Schmidt - dpa-infocom GmbH

Nachdem die IAAF die Sperre des russischen Verbandes verlängerte, spricht die weltbeste Hochspringerin von Selbstbetrug und fordert Konsequenzen vom russischen Verbandschef.

«Ich hoffe, dass jene Leute, die für diese nicht endende Schande verantwortlich sind, den Mut aufbringen, endlich abzutreten», schrieb die Hochsprung-Weltmeisterin von 2015 und 2017 sowie Europameisterin von 2018 bei Instagram. Gemeint sei nicht nur die Verbandsführung. «Hier geht es auch um aktive Trainer, die fest davon überzeugt sind, dass sich ohne Doping nicht gewinnen lässt.»

Nachdem der Leichtathletik-Weltverband IAAF zu Pfingsten auf seiner Council-Sitzung in Monte Carlo erneut eine Verlängerung des Ausschlusses des Verbandes RUSAF bestätigte, steht die Teilnahme Russlands an der Weltmeisterschaft in Doha vom 27. September bis 6. Oktober weiter infrage.

Die russischen Verbandsleute kümmerten sich nur darum, sich gegenseitig zu decken – ohne Rücksicht auf die Athleten, kritisierte Lassizkene weiter. «Wir können noch ewig mit dem Selbstbetrug so weiter machen.» Es habe keinen Sinn, die Sperren immer nur auf den Westen zu schieben, der angeblich russische Sportler fürchte. «Auch diese Geschichten, dass die ganze Welt Doping betreibe, sind deplatziert. Wir müssen nicht die ganze Welt retten; wir müssen vielmehr retten, was von der russischen Leichtathletik noch übrig ist.» Die derzeit weltbeste Hochspringerin Lassizkene gehört zu jenen 42 russischen Leichtathleten, denen die IAAF zu Jahresbeginn eine Starterlaubnis «als neutrale Athleten» in Aussicht gestellt hatte.

Russlands Sportminister Pawel Kolobkow empfahl Schljachtin, führenden Athleten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ausserdem sollte er «saubere Athleten» besser unterstützen, sagte er der Agentur Interfax zufolge. «Lassizkenes Aussage ist für mich unangehem gewesen.»

Die vom Weltverband eingesetzte Task Force unter seinem norwegischen Chef Rune Andersen hatte sich in Monte Carlo besorgt gezeigt, dass gesperrte Trainer angeblich immer noch mit Athleten zusammenarbeiten. Die IAAF will nun Untersuchungen abwarten, ob russische Funktionäre gefälschte medizinische Dokumente lieferten, um einem gedopten Athleten zu helfen, um seine fällige Sperre zu umgehen. Die «Sunday Times» hatte über den Fall des Hochsprung-Vizeweltmeisters Danil Lyssenko berichtet: Er verlor für die EM in Berlin 2018 sein Startrecht, weil er Dopingtester nicht über seine Aufenthaltsorte für Tests in der Trainingsphase informiert habe.

Taske-Force-Chef Andersen registrierte zwar, dass Russland inzwischen alle bisher in Rechnung gestellten Zahlungen in Höhe von 3,2 Millionen US-Dollar geleistet habe, um die Kosten für die Überwachung der Einhaltung der Anti-Doping-Vorschriften zu decken. Zudem würdigte er auch die Bemühungen von Sportminister Pawel Kolobkow, Daten und Proben vom Moskauer Anti-Doping-Labor an die WADA zu übergeben. Es sei jedoch «frustrierend», dass es neue Zweifel gebe, ob andere IAAF-Forderungen von den Russen erfüllt würden.

RUSAF-Präsident Schljachtin hatte am 9. Juni mitgeteilt, dass sich Russland weiter dem Kampf gegen Doping verpflichtet sehe. Es gehe dem Verband um «Null-Toleranz gegenüber Doping und eine Änderung der Anti-Doping-Kultur in der russischen Leichtathletik», sagte er.

Die Aussperrung der Russen wird nun voraussichtlich bis mindestens zur nächsten Council-Tagung vor der WM in Doha gelten. Ausgewählte russische Sportler dürfen jedoch nach individueller Prüfung durch die IAAF bei den Titelkämpfen unter neutraler Flagge starten.

Nach der WM wird der Weltverband im Oktober seinen Namen ändern. Die bisherige IAAF heisst dann - vorbehaltlich der Abstimmung im Kongress - World Athletics. «Die Hoffnung ist, dass die neue Marke helfen wird, eine neue Generation junger Leute für die Leichtathletik zu gewinnen», begründete Präsident Sebastian Coe. Der Ruf der IAAF hatte vor allem in der Amtszeit des Präsidenten Lamine Diack (1999 bis 2015) aufgrund zahlreicher Dopingfälle gelitten.

Auf seiner Tagung hatte der Council auch auf gravierende Kontrolldefizite bei Strassenläufern reagiert und ein neues Finanzierungssystem für die Ausweitung von Doping-Tests aufgelegt. Vor allem wettkampfunabhängige Kontrollen sollen drastisch erhöht werden. Das Programm basiert auf einer Analyse, wonach im Vorjahr 76 Prozent der 50 Gewinner der wichtigsten Strassenrennen nicht Teil eines wettbewerbsunabhängigen Anti-Doping-Programms waren.

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