Der FC Aarau ist in einer sportlichen Krise – nun geht auch noch Präsident Philipp Bonorand am Saisonende von Bord. Im Interview mit Nau.ch nimmt er Stellung.
FC Aarau
Philipp Bonorand will nicht mehr Präsident des FC Aarau sein. - FC Aarau
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Philipp Bonorand kündigt seinen Rücktritt als Aarau-Präsident an.
  • Seit 2019 war Bonorand im Amt – war er etwa zu nett? Oder verlässt er das sinkende Schiff?
  • Im Interview klärt der 42-Jährige auf.

Nau.ch: Sie schmeissen den Bettel hin – wie viel hat das mit dem letzten Samstag zu tun?

Philipp Bonorand: Der letzte Samstag war vielleicht noch mal ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Aber ich trete nicht wegen der Szenen in Aarau am letzten Samstag ab. Es waren viele Sachen, die sich in den letzten Wochen und Monaten summiert haben.

Ich merke einfach – ich bin müde, ich habe die Energie nicht mehr. Und ich kann damit auch nicht mehr so umgehen, wie in der Anfangszeit meines Präsidiums.

fc aarau
FC Aarau kassiert gegen Stade Lausanne-Ouchy die nächste Pleite. - Instagram /@fcaarau

Nau.ch: Was hat denn nicht geklappt, dass es zu diesem Entschluss kommt?

Philipp Bonorand: Es ist viel passiert: Sportlich läuft es nicht wie gewünscht, wir hatten einen Trainer- und einen Geschäftsführerwechsel. Und dann gibt es noch so Ereignisse wie am letzten Samstag. Es waren viele ausserordentliche Sachen.

Ich habe nebenbei auch noch ein Geschäft, das ich führe. Es ist jetzt einfach alles ein bisschen zu viel geworden. Und ich persönlich merke auch, dass meine Haut ein wenig dünner wird.

Wir sind jetzt auf Rang sechs, es läuft sportlich nicht gut. Ich verstehe, dass die Leute damit Mühe haben. Aber wir hatten Szenen und Reaktionen in letzter Zeit, als wären wir Letzter und würden absteigen. Es fällt mir zunehmend schwer, damit umzugehen.

Schafft der FC Aarau diese Saison noch den Aufstieg?

Nau.ch: Die Szene am Samstag war prekär – ein Fan – Anführer durfte mit der Mannschaft reden. Dann hat sich die Szene beruhigt. Stimmt das so?

Philipp Bonorand: Die Fans draussen haben versucht, hereinzukommen. Sie wollten Trikots von uns, und wenn sie diese nicht bekommen, stürmen sie das Stadion. Diese Situation habe ich mit dem Sicherheitschef besprochen und musste dann entscheiden.

Entweder machst du nichts und gehst das Risiko ein, dann wäre wahrscheinlich Schlimmeres passiert. Oder du sagst der Polizei, die sich bereit gemacht hat, sie soll eingreifen. Dann hat man aber Sachschaden und vielleicht Personenschaden im Stadion.

Oder man sucht einen dritten Weg: Die Trikots ausliefern wollte die Mannschaft nicht, das war für uns kein Thema. Schlussendlich habe ich unter vier Augen mit dem Capo der Fans gesprochen, um ihm zu zeigen, was das für den FC Aarau bedeutet.

Als Gegenleistung durfte man der Mannschaft in einem zivilisierten Gespräch die Meinung kundtun. Dann sind sie gegangen, es ist nichts weiter passiert. Ich denke, das war eine sehr gute Lösung. Aber die Erfahrung war für alle Leute im Stadion nicht lustig.

Nau.ch: Dürfen die Fans des FC Aarau nicht höhere Ansprüche haben? Vom ausgegebenen Ziel, unter die ersten Drei zu kommen, ist man meilenweit entfernt. Und sportlich hat der Trainerwechsel auch nichts gebracht.

Challenge League (20.10.2023)
Sp
S
N
U
Tore
Pkt
1.
Yverdon Sport Logo
36
20
10
6
64:53
66
2.
Lausanne Logo
36
17
9
10
58:43
61
3.
Stade Lausanne-Ouchy Logo
36
17
10
9
70:53
60
4.
FC Aarau Logo
36
15
9
12
63:57
57
5.
FC WIL 1900 Logo
36
16
12
8
62:52
56
6.
FC Thun Logo
36
12
11
13
62:55
49
7.
FC Schaffhausen Logo
36
12
16
8
51:59
44
8.
FC Vaduz Logo
36
7
13
16
54:56
37
9.
Bellinzona Logo
36
11
21
4
38:71
37
10.
Neuchatel Xamax FC Logo
36
4
20
12
42:65
24

Philipp Bonorand: Darüber müssen wir nicht diskutieren. Wir haben eine Mannschaft zusammengestellt, von der wir überzeugt waren, dass sie vorne mitspielen kann. Jetzt hat man früh festgestellt, dass das sehr schwer zu erreichen wird.

Und den Trainerwechsel habe ich nicht forciert – ich war der Meinung, wir sollten mit Stephan Keller weitermachen. Aber die Mannschaft hat uns klar gemacht, dass sie das nicht möchte – das haben wir dann gemacht. Ob wir den richtigen oder den falschen eingestellt haben, wird die Zukunft zeigen.

Dass man da als Fan enttäuscht ist, verstehe ich. Ich bin auch enttäuscht – aber schlussendlich ist es immer noch ein Fussballspiel. Mit Gewalt ein Stadion stürmen, Trikots abgeben – ich finde es in dieser Situation nicht angemessen.

Nau.ch: Ist Fussball-Präsident für Sie der richtige Ort – oder waren Sie vielleicht zu nett?

Philipp Bonorand: Ich musste schon unpopuläre Entscheidungen treffen – ich musste Trainer und Geschäftsführer entlassen. Aber es stimmt, der menschliche Umgang mit Leuten ist mir sehr wichtig. Ich bin niemand, der irgendwelche Zahlen anschaut und dann sagt, jemand muss weg.

Wie in meinem Unternehmen habe ich auch beim FC Aarau versucht, dass sich die Leute wohlfühlen und dann vielleicht noch etwas mehr geben. Aber im Fussball-Business hat man diese Zeit offensichtlich nicht. In dieser Hinsicht bin ich sicherlich kein absoluter Hardliner.

Nau.ch: Es läuft sportlich nicht gut, es gibt viel Wirbel um den Verein. Das Schiff läuft gerade ein wenig auf Grund, und jetzt geht der Kapitän von Bord. Wollen Sie sich selbst schützen, oder wird es einfach zu viel?

Philipp Bonorand: Es wird grundsätzlich einfach zu viel. Natürlich schütze ich mich selbst, meinen Körper und meinen Geist. Aber ich schütze mich jetzt nicht vor dieser Situation, bis zur Generalversammlung bleibe ich ja noch. Und danach werde ich den FC Aarau weiter unterstützen, sofern das gewünscht ist.

Aber ich habe für mich festgestellt: Ich packe das nicht mehr, ich kann das nicht mehr. Und ich höre ja nicht morgen auf, es sind noch drei Monate. Aber ich kann mich nicht mehr für zwei Jahre zur Verfügung stellen – da fehlt mir die Energie.

Nau.ch: Rettet der Rücktritt jetzt vorerst auch Trainer Boris Smiljanic den Job?

Philipp Bonorand: Ich sehe da keinen Zusammenhang. Ich habe dem Verwaltungsrat heute mitgeteilt, dass ich zurücktreten möchte. Jetzt macht man sich hier Gedanken, wie es weitergeht.

Gleichzeitig war ich die letzten Tage voll im Thema der Vorfälle vom Samstag drin. Wir haben nicht über den Trainer gesprochen. Schlussendlich ist es auch hauptsächlich die Aufgabe des Sportchefs, die Leistung des Trainers zu beurteilen.

Nau.ch: Sind Sie mit der sportlichen Bilanz nach dem Trainerwechsel zufrieden?

Philipp Bonorand: Nein, ich bin mit der sportlichen Bilanz der gesamten Saison nicht zufrieden. Ich bin auch mit der von Stephan Keller bis zur Entlassung nicht zufrieden gewesen. Nach dem Trainerwechsel sind wir leider bisher keinen entscheidenden Schritt weitergekommen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

VerwaltungsratSachschadenTrainerEnergieStadionGewaltFC AarauFC AarauAarau