Wenn der laute Ausruf bei der Darts-WM besonders markant ausfällt, steckt meist Russ Bray dahinter. Der sogenannte Caller hat eine unverwechselbare Stimme. Das kann auch zu aussergewöhnlichen Einsätzen führen.
Die Stimme des Darts-Sports: Caller Russ Bray. Foto: Kieran Cleeves/PA Wire/dpa
Die Stimme des Darts-Sports: Caller Russ Bray. Foto: Kieran Cleeves/PA Wire/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn Russ Bray auf 180 ist, ist das ein sehr gutes Zeichen.

Dann hat er gerade mit seiner markanten Stimme die höchste Punktzahl für eine Darts-Aufnahme ausgerufen. Seine Stimme klingt nach einer Mischung aus Whisky und Zigaretten, als Rock-Musiker hätte er riesiges Potenzial.

Doch der 63 Jahre alte Bray ist seit etlichen Jahren Caller auf den Darts-Bühnen dieser Welt. Von vielen wird er schlicht «The Voice» (die Stimme) genannt. Während der Darts-WM im Londoner Alexandra Palace ist er ein gefragter Mann.

Wenn er mit seiner Reibeisenstimme langgezogen «onehundredandeighty!» ruft, feiert das Publikum, reisst Schilder nach oben und springt auf. Bray und seine Kollegen bespassen damit auch das feier- und trinkwütige Publikum - zumindest in normalen Darts-Zeiten vor Beginn der Corona-Pandemie.

«Sie erkennen mich an meiner Stimme», sagt Bray. Seit mehr als 20 Jahren ist der Brite bereits Caller, also eine Art Schiedsrichter. Neben dem Ausrufen der geworfenen Punktzahl haben sie auch weitere Aufgaben. Wenn die Spieler sich nicht benehmen oder das Publikum zu laut wird, muss er eingreifen. «Ich habe früher Darts gespielt - da habe ich das Rechnen gelernt. Früher musste man schnell selbst zusammenrechnen», erzählt Bray der Deutschen Presse-Agentur. Dass er Caller wurde, bezeichnet er selbst als eine Art Unfall. «Ich war bei einer Veranstaltung, und der Caller tauchte einfach nicht auf. Dann bin ich eingesprungen.»

Auch für andere Zwecke muss die Reibeisenstimme herhalten. «Spieler haben sich von ihm den Anrufbeantworter besprechen lassen. Da ist er immer für zu haben, er ist immer sehr lustig und locker», sagt der deutsche Darts-Profi Max Hopp. Er sei ein netter und lockerer Typ, «eine coole Socke».

Lobende Worte über Bray findet auch Darts-Kommentator Elmar Paulke, der den Briten in seinem jüngst erschienenen Buch «Perfect game» das Vorwort schreiben liess: «Das ist ein ganz netter Kerl, der überhaupt nicht abgehoben ist. Er ist immer gut gelaunt. Er inhaliert das ganze Geschehen. Er ist wirklich Teil der Tour. Er ist The Voice.»

«Ich trainiere meine Stimme nicht, sie ist von Natur so», erzählt Bray. Mit den Jahren sind die Haare weniger geworden bei ihm. Er ist tätowiert, erfüllt damit auch das Klischee eines Darts-Spielers. Wenn er über einen langen Abend besonders häufig die 180 ausrufen muss, klingt seine Stimme mitunter etwas kratzig. Er klingt dann manchmal wie ein Motor, der nicht auf Anhieb anspringen will.

Die Spieler werfen die drei Darts unmittelbar nacheinander, die Caller müssen die Punkte dann in Sekundenschnelle zusammenrechnen. Bray verrechnet sich hin und wieder. Er gilt unter den Callern nicht unbedingt als bester Rechner. Sein Kollege Kirk Bevins wird in Anlehnung an seine Geschwindigkeit und Rechenpräzision auch «Kirkulator» genannt.

Doch das ist nur ein Teil der Aufgabe. «Er ist nicht mehr der beste Schiedsrichter, aber die Stimme - jeder Spieler will die 180 mal von ihm gecallt haben», sagt Paulke. «Ein Schiedsrichter muss nicht nur gut im Kopfrechnen sein, er muss auch Herr des Geschehens sein. Er muss das Spiel stoppen, wenn es Probleme gibt. Es geht nicht nur darum, Zahlen auszurufen», sagt Bray zur Verteidigung.

Neben Darts habe er noch Boxen gemacht, darunter Weltmeisterschaften in Deutschland. Die letzte sei vor etwa fünf Jahren gewesen. Er könne auch für Veranstaltungen gebucht werden. Doch ein Grossteil seiner Arbeit sei Darts. Bis zum Finale der Darts-WM dürfte noch etliche Male «onehundredandeighty» von der Reibeisenstimme zu hören sein.

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