Wahl in Österreich: Schmilzt der Vorsprung der rechten FPÖ?
«Euer Wille geschehe», so wirbt die rechte FPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich um Stimmen für ihren Vorsitzenden Herbert Kickl. Der Slogan mit Vater-Unser-Anklang soll helfen, den 55-jährigen scharfzüngigen Rechtspopulisten zum, wie er es nennt, Volkskanzler zu machen. Der erstmalige Sieg der Freiheitlichen Partei bei einer Nationalratswahl schien mehr als ein Jahr lang ausgemachte Sache. Zu deutlich war der Vorsprung in allen Umfragen.
Doch dieser Vorsprung ist zuletzt auf nur noch etwa zwei Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP von Kanzler Karl Nehammer geschmolzen. Dann kam auch noch das verheerende Hochwasser, und der Regierungschef ergriff die Chance, sich als Kümmerer und Krisen-Manager zu positionieren. Werden die Karten unmittelbar vor dem Urnengang am 29. September neu gemischt?
Stimmen die Umfragen, dann liegen die seit Jahrzehnten in Bund und Land etablierten Rechtspopulisten aktuell bei rund 27 Prozent. Damit erreichen sie ein Niveau wie bereits 1999 und 2017. Ihr möglicher Spitzenplatz ist Ergebnis der Schwäche von ÖVP und SPÖ. Bei den bisherigen Wahlen waren beide Parteien deutlich stärker, als es ihnen die Demoskopen heute voraussagen.
Experte: FPÖ sehr gut aufgestellt
«Die FPÖ steht auf einem sehr soliden Sockel», sagt Politik-Analyst Thomas Hofer. Für die FPÖ könnte es zwar am Wahlabend knapper als gedacht werden, ein erfolgreiches Überholmanöver der ÖVP ist aber laut Hofer schwierig. Im Wahlkampf hat die FPÖ nicht aufgehört, die Zuwanderung scharf anzuprangern und die Impfpflicht während der Coronakrise zu geisseln.
Ein wesentlicher Grund für die Stabilität der Rechtspopulisten, die nach Bekanntwerden der Ibiza-Affäre vor fünf Jahren ziemlich am Boden lagen, ist ihre Kommunikationsstrategie. Die FPÖ hat sich praktisch ein eigenes Medienhaus geschaffen. Durch Millionen an Interaktionen in sozialen Medien und das auf Youtube ausgestrahlte FPÖ-TV mit seinen 200'000 Abonnenten.
«Keine andere Partei hat einen so direkten und umfangreichen Draht zu ihren Anhängern», sagt Hofer. Geschickt hat die FPÖ zudem kurz vor der Wahl ein Wirtschaftsprogramm präsentiert, das in Teilen verlockend klingt, aber keine Vorschläge zur Finanzierung enthält. Neue Steuern werden jedenfalls abgelehnt.
Inhaltlich spräche vieles für ÖVP-FPÖ-Bündnis
Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Österreich mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge und steigender Arbeitslosigkeit dürfte jede Partei, die ökonomische Kompetenz suggeriert, bei den Wählern punkten. Das FPÖ-Programm hat in dieser Hinsicht viele Schnittmengen mit dem der noch regierenden ÖVP. «Inhaltlich sind sich beide Parteien ohnehin sehr nah», sagt Hofer.
Doch da gibt es aus Sicht der Konservativen ein grosses Problem namens Kickl. Für die ÖVP ist eine erneute Koalition mit der FPÖ zwar im Prinzip denkbar, aber nur ohne Kickl in der Regierungsmannschaft. Zuletzt hatten die beiden Parteien von 2017 bis 2019 zusammen regiert. Kickl war damals Innenminister.
Aus Sicht der ÖVP hinterliess er einen massiv geschwächten Verfassungsschutz. Bei der FPÖ wiederum gilt es als ausgeschlossen, dass die Rechtspopulisten nach einem Wahlerfolg ihren Vorsitzenden für eine Regierungsbeteiligung opfern werden.
Viele Kritiker warnen, dass die Menschenrechte in Gefahr seien, sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen. Auch die Russland-Politik der Rechtspopulisten macht sie in den Augen ihrer Gegner angreifbar. So hat die FPÖ nichts gegen Gas aus Russland und würde auch aus dem Projekt einer europäischen Raketenabwehr («Sky Shield») aussteigen.
Erstmals Dreier-Koalition eine Option
So gesehen spricht nach der Wahl einiges für eine Koalition aus ÖVP und SPÖ oder – wenn nötig – gar für ein Dreier-Bündnis mit den liberalen Neos. Denn ÖVP und Grüne haben sich in ihrer gemeinsamen Regierung seit 2019 sehr entfremdet. Da scheinen die Liberalen als Königsmacher durchaus attraktiv.
Die Neos betonen ihren Regierungswillen und vor allem ihren Willen zu Reformen im Bildungs- und Rentensystem. Spannend bleibt die Frage, wie die ÖVP und die SPÖ miteinander könnten, denn die Sozialdemokraten sind unter ihrem 2023 gewählten Chef Andreas Babler weit nach links gerückt. Viele seiner sozialpolitischen Forderungen, etwa nach einer Erbschaftsteuer, sind für die ÖVP inakzeptabel.
Chancen der Kleinparteien scheinen zu schwinden
Zur Mobilisierung der 6,4 Millionen Wahlberechtigten sprechen praktisch alle Parteien von einer Richtungswahl. Kommt es zu einem spektakulären Rechtsruck? Speziell die Grünen erinnern laut an die «Brandmauer gegen rechts», die einen Kanzler Kickl mangels Koalitionspartnern unmöglich machen soll. Die Öko-Partei selbst darf darauf hoffen, dass die Klimakrise aufgrund der jüngsten Flutkatastrophe in den Köpfen der Wähler sehr präsent ist.
Eher schwindende Chancen auf einen Einzug ins Parlament werden der Bierpartei des Musikers und Kabarettisten Marco Pogo eingeräumt. Die Partei des 37-Jährigen dürfte im linken Protest-Lager Stimmen einsammeln. Ihr politisches Programm blieb im Wahlkampf jedoch recht vage. Laut Umfragen wird es auch die kommunistische KPÖ trotz grosser Erfolge auf Kommunal- und Landesebene schwer haben, die Vier-Prozent-Hürde am kommenden Sonntag zu überspringen.