Trotz der knappen Wahlniederlage seiner ANO-Partei hofft Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis, sich weiter an der Macht halten zu können.
Regierungschef Babis nach seiner Niederlage am Samstagabend
Regierungschef Babis nach seiner Niederlage am Samstagabend - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Populistischer Milliardär hofft mit Hilfe seines Verbündeten auf Machterhalt.

Am Sonntagmorgen wollte sich der populistische Milliardär zu informellen Gesprächen mit Staatschef Milos Zeman treffen, der als sein Verbündeter gilt und dem Parlament laut Verfassung einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlägt. «Wir werden sehen, was der Präsident sagt», hatte Babis bereits am Samstag angekündigt, als er seine Niederlage einräumte.

Laut vorläufigem Ergebnis lag das konservative Oppositionsbündnis Spolu (Gemeinsam) bei der Parlamentswahl am Samstag mit 27,79 Prozent der Stimmen knapp vor Babis' ANO mit 27,13 Prozent. Spolu käme damit zusammen mit dem linksliberalen Oppositionsbündnis unter Führung der Piratenpartei auf eine Mehrheit von 108 der 200 Sitze im Parlament und könnte eine Koalitionsregierung bilden.

Spolu-Chef Petr Fiala erklärte sich bereits am Samstagabend aufgrund seines «starken» Mandats zur Bildung der nächsten Regierung bereit. «Der Präsident wird dies berücksichtigen müssen», betonte er. Zeman hatte jedoch Anfang des Jahres angekündigt, nur einen Parteichef dafür in Erwägung zu ziehen, keinen Anführer eines Parteienbündnisses.

Bisher regierte Babis in einer Minderheitsregierung aus seiner ANO und den Sozialdemokraten mit stillschweigender Duldung durch die Kommunisten. Die Kommunisten scheiterten jedoch klar an der Fünf-Prozent-Hürde und sind damit erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs künftig nicht mehr im Parlament vertreten - und auch die Sozialdemokraten verfehlten knapp die fünf Prozent. Dagegen zieht die rechtsextreme, anti-muslimische Partei SPD mit rund zehn Prozent der Stimmen und 20 Mandaten ins Abgeordnetenhaus ein.

Babis war wenige Tage vor der Wahl durch Enthüllungen im Rahmen der «Pandora Papers» in Erklärungsnot geraten. Demnach soll der 67-jährige Milliardär 2009 über eine Briefkastenfirma anonym ein Landschloss in Südfrankreich für 15 Millionen Euro gekauft haben. Die Herkunft des Geldes ist nicht bekannt, der Vorwurf der Geldwäsche steht im Raum. Babis wies die Anschuldigungen als Verleumdungskampagne zurück.

Der gebürtige Slowake ist einer der reichsten Männer Tschechiens. Sein Mischkonzern Agrofert ist vor allem in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sowie im Chemie- und Mediensektor tätig. Als Unternehmer hatte Babis in der Vergangenheit auch millionenschwere EU-Subventionen erhalten. In Brüssel wird dies als Interessenskonflikt betrachtet, die neu gegründete EU-Staatsanwaltschaft ist damit betraut.

Die tschechische Staatsanwaltschaft ermittelt ausserdem wegen Betrugs mit EU-Mitteln gegen Babis. Die verschiedenen Vorwürfe hatten dem Populisten in der Vergangenheit politisch allerdings kaum ernsthaft geschadet.

Nach seinem Wahlsieg im Jahr 2017 brauchte Babis neun Monate, um seine Minderheitsregierung zu bilden. Präsident Zeman liess ihm die Zeit. Auch jetzt sieht es danach aus, als könnte Zeman Babis seinen Verbündeten zunächst mit der Regierungsbildung beauftragen. Für Mittwoch ist ein formelles Treffen der beiden vorgesehen.

Der 77-jährige Präsident ist jedoch bei so schlechter Gesundheit, dass er am Samstag seine Stimme in seiner Residenz abgab. Offiziell ist nur wenig bekannt, die tschechischen Medien berichten von ernsthaften Leberproblemen.

«In Anbetracht seines Gesundheitszustandes könnte er die Situation überdenken», sagte der Politikexperte Tomas Lebeda von der Palacky-Universität in Olmütz (Olomouc) der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf die Regierungsbildung. «Aber darauf würde ich beim derzeitigen Stand der Dinge nicht wetten». «Wir kennen Zeman schon seit einiger Zeit, wir wissen, wie er denkt und handelt».

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