Transsexuelle sollen künftig ihren amtlichen Geschlechtseintrag und ihren Vornamen deutlich leichter ändern können als bisher.
Regenbogenfahne bei Kundgebung in Mexiko
Regenbogenfahne bei Kundgebung in Mexiko - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • «Ampel» plant Selbstbestimmungsgesetz - Lob von Betroffenenverbänden.

Dafür solle dann eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreichen, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin. Die bisher im gut 40 Jahre alten Transsexuellengesetz vorgesehenen Begutachtungen und gerichtlichen Verfahren sollen demnach wegfallen. Betroffenenverbände lobten das «wegweisende» Projekt, die Unionsfraktion reagierte kritisch.

Paus stellte gemeinsam mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz vor, welches das Transsexuellengesetz ersetzen soll. Die bisherige Regelung habe transsexuellen Menschen die Botschaft vermittelt: «Eigentlich stimmt was nicht mit euch», sagte Buschmann. Das solle nun ein Ende haben. Zum Zeitplan sagte Paus: «Wir wollen dieses Jahr das Kabinett erreichen.»

Den Eckpunkten zufolge sollen Volljährige gegenüber dem Standesamt die Änderung von Geschlechtseintrag oder Vornamen verlangen können, ohne weitere Nachweise oder Begründungen zu erbringen. Bei Minderjährigen ab 14 müssen die Eltern einverstanden sein - sind sie es nicht, kann das Familiengericht eingeschaltet werden, um den Konflikt zu klären. Vor einer erneuten Änderung soll in allen Fällen eine Sperrfrist von einem Jahr gelten.

Bisher müssen Betroffene für eine Änderung der Einträge zwei psychologische Gutachten einreichen; es entscheidet das zuständige Amtsgericht. Das Verfahren ist langwierig und teuer und wird von Betroffenen als entwürdigend kritisiert. «Niemand kann die Geschlechtsidentität eines Menschen überprüfen», betonte Paus. Das Transsexuellengesetz sei «pathologisierend».

Buschmann sagte, Transsexualität sei «nicht der statistische Normalfall, aber es ist normal». Daher sei auch die Zahl der Betroffenen für die Gesetzesnovelle unerheblich: «Anspruch auf Würde hat jeder einzelne Mensch.»

Buschmann wies Bedenken zurück, dass es durch die niedrigeren Hürden zu leicht werden könnte, den Geschlechtseintrag zu ändern. «Das machen Menschen nicht aus Jux und Dollerei», zeigte er sich überzeugt.

Der Bundesverband Trans* erklärte, die Eckpunkte «sehen viele wegweisende Verbesserungen vor». Viele Transsexuelle warteten «sehnlichst darauf, dass ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wird», erklärte Kalle Hümpfner von Trans*.

Auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) lobte das Gesetzesvorhaben. «Damit ist der erste Schritt getan, um die geschlechtliche Selbstbestimmung von trans*- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen zu gewährleisten und das grundrechtswidrige Transsexuellengesetz (TSG) endlich zu beerdigen», erklärte LSVD-Bundesvorstandsmitglied Henny Engels.

Die beiden ersten offen Transsexuellen im Bundestag, Tessa Ganserer und Nyke Slawik (beide Grüne), wiesen darauf hin, dass künftig die Änderung von Geschlechtseintrag und Vorname das sei, was sie schon immer hätte sein sollen: «ein unspektakulärer Verwaltungsakt beim Standesamt». Dies sei «ein kleiner Schritt für die Verwaltung, aber ein grosser Sprung für eine freie und vielfältige Gesellschaft».

Lob kam auch vom Deutschen Kinderschutzbund. Die Linksfraktion begrüsste das Gesetzesvorhaben ebenfalls, forderte aber zusätzlich eine «breite Aufklärungskampagne, um gesellschaftliche Ängste abzubauen».

Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), kritisierte den geplanten Wegfall der psychologischen Begutachtungen. Trans- und Intergeschlechtlichkeit lasse sich «anhand objektivierbarer Kriterien feststellen», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Insbesondere wenn es um Minderjährige gehe, «wäre eine unterstützende psychologische Begutachtung aus Sicht der Union zwingend notwendig», sagte Breher.

Die AfD stellte in Abrede, dass es Transsexualität überhaupt gibt. «Biologie lässt sich nicht von Gesetzen einfach ausblenden und ist auch keine Frage von Mehrheiten», erklärte Parteivize Stephan Brandner.

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