Der neue britische Premier wollte ein Kabinett der Integrität aufstellen. Nur einen Tag nach Amtsantritt wird genau das schon wieder infrage gestellt.
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Premierminister Rishi Sunak bei seiner ersten Kabinettssitzung in der Downing Street. Von links: Gavin Williamson, David TC Davies, Mark Harper, Mel Stride, Kemi Badenoch, Rishi Sunak, Jeremy Hunt, Grant Shapps, Therese Coffey, Gillian Keegan, Alister Jack, Andrew Mitchell, Jeremy Quin, Simon Hart, Victoria Prentis, Chris Heaton-Harris, Lord True, Steve Barclay, Oliver Dowden, James Cleverly, Dominic Raab (verdeckt), Michael Gove (verdeckt), Suella Braverman (verdeckt), Michelle Donelan, Nadhim Zahawi, John Glen und Robert Jenrick. (Stefan Rousseau/Pool Photo via AP) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Rishi Sunak wollte ein Kabinett der Integrität und Professionalität zusammenstellen.
  • Einen Tag nach Amtsantritt sind die meisten Personalien vergeben.
  • Einige Personalien in der Regierung lassen an Sunaks Aussage zweifeln.
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Alle, die unter Premier Rishi Sunak eine gemässigtere Politik als das Chaos seiner populistischen Vorgänger erwartet haben, dürften sich getäuscht fühlen.

Mit einem Kabinett aus Unterstützern und Vertretern anderer Parteiflügel der Tories, will der 42-Jährige sich möglichst breite Unterstützung in der tief gespaltenen Konservativen Partei sichern. Sowohl Verbündete seiner Vorgängerin Liz Truss als auch seines Vor-Vorgängers Boris Johnson sitzen mit am Kabinettstisch.

Rishi Sunak
Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist der neue britischer Premierminister. (Aaron Chown/PA Wire/dpa) - dpa

Finanzminister Jeremy Hunt und Wirtschafsminister Grant Shapps sollen für die Stabilität an den Finanzmärkten sorgen.

Die für ihre Lust an Kulturkämpfen bekannte Kemi Badenoch als Ministerin für Frauen und Gleichstellung sowie Suella Braverman als Innenministerin sind hingegen ein Zugeständnis an die rechten Hardliner der Partei.

So hat Braverman beispielsweise den «Traum», ja sogar die «Obsession», noch vor Weihnachten so soviele Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben, wie in einen Flieger passen. Konkret meint sie damit den Ruanda-Pakt zur Deportation Asylsuchender aus verschiedenen Ländern, den viele als Bruch internationalen Völkerrechts ansehen.

Mit diesen Kandidaten will Sunak Professionalität beweisen

Sunak versprach nach seinem Amtsantritt am Dienstag, eine Regierung mit Integrität und Professionalität zusammenzustellen. «Vertrauen muss verdient werden, und ich werde mir Ihr Vertrauen verdienen», sagte er in seiner ersten Rede als Premier.

Suella Braverman
Suella Braverman ist kurz nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung erneut Innenministerin. (Kin Cheung/AP/dpa) - dpa

Und genau das scheint ihm nur einen Tag später schon wieder auf die Füsse zu fallen. Braverman etwa war nur einen Tag vor Liz Truss Rücktritt mehr oder weniger aus dem Amt geflogen, weil sie offizielle Dokumente an ihre private E-Mail weitergeleitet hatte.

Die oppositionelle Labour-Partei wollte, dass sich Braverman noch am Mittwoch im Parlament zu ihrem vorübergehenden Rücktritt äussert. Zudem forderte sie eine unabhängige Untersuchung der Ernennung.

Auch bei anderen Kandidaten gibt es Zweifel über deren Kompetenzen. «Mann ohne Gehirn kehrt zurück», titelt etwa der «Daily Star» über Vizepremier Dominic Raab. Dieser war einst als Aussenminister wegen seiner Rolle beim Afghanistan-Abzug heftig umstritten. Später sorgte er im Justizministerium für Wirbel.

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Der Vizepremier Dominic Raab. (AP Photo/Kirsty Wigglesworth) - Keystone

Und dann wäre da noch Gavin Williamson. Er galt schon unter Johnsons Regierung als Totalausfall – seine erneute Ernennung zum Bildungsminister sorgte für Stirnrunzeln.

Nur wenige Frauen im Kabinett Sunak

Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. So twitterte die rennomierte britische Menschenrechtsanwältin Jessica Simor: «Sie zerstören alles, was in diesem Land gut ist und machen alles, das schlecht ist, noch schlimmer.» Der «Moment der Hoffnung» liege schon wieder in Trümmern.

Währenddessen sucht ein Beobachter in der «Sun», vergeblich nach den Frauen im Kabinett. Nur rund ein Viertel der Posten habe Sunak an Frauen vergeben, so die Kritik.

Sunak schlägt keinen neuen Kurs ein

In Brüssel hofft man darauf, dass ein verlässlicherer Partner in die Downing Street einzieht als Truss oder Johnson. «In diesen schwierigen Zeiten für unseren Kontinent zählen wir auf eine starke Beziehung zum Vereinigten Königreich», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Mit der Gestaltung seiner Regierung macht Sunak eines klar: Das Wirtschaftschaos soll enden. Den rechtskonservativen Kurs der Tories wird er aber nicht aufgeben. Nicht beim von ihm unterstützten Ruanda-Pakt, und vielleicht auch nicht im Nordirland-Streit. Dass der überzeugte Brexiteer einen weniger konfrontativen Kurs gegenüber der EU einschlägt, ist alles andere als gesetzt.

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