Der bisherige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Vorbildfunktion des Parlaments für die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung betont.
Schäuble im Bundestag
Schäuble im Bundestag - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bisheriger Bundestagspräsident verlangt dringend Wahlrechtsreform.

Der Bundestag sei der Ort, «an dem wir streiten dürfen», sagte Schäuble in seiner Rede als Alterspräsident bei der ersten Sitzung des neu gewählten Parlaments am Dienstag. Konflikte müssten aber «fair und nach Regeln» ausgetragen werden, «leidenschaftlich, aber auch mit der Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann».

Schäuble hatte in der vergangenen Legislaturperiode seit 2017 das Parlament geführt. Nach dem Wahlsieg der SPD soll ihm nun die Sozialdemokratin Bärbel Bas folgen, die am Dienstag gewählt werden soll.

Das Parlament könnte «nicht bloss eine notarielle Veranstaltung, um Koalitionsverträge abzuarbeiten», sagte Schäuble. Es müsse gerade die Vielfalt an Meinungen offen zur Sprache bringen, weil in der Gesellschaft die Bereitschaft sinke, «Widerspruch überhaupt zuzulassen».

Politik gehe aber nicht ohne Kompromisse, warnte der CDU-Politiker auch mit Blick auf die Forderungen der Klimabewegung. «Das mitunter zähe Ringen um gesellschaftliche Mehrheiten sollten wir gerade auch denen nahebringen, die mit Blick auf den Klimawandel von der Trägheit demokratischer Prozesse enttäuscht sind und sofortiges Handeln fordern», sagte er. «Ihre Motive sind nachvollziehbar. Aber wissenschaftliche Erkenntnis allein ist noch keine Politik ? und schon gar nicht demokratische Mehrheit.»

Aus Sicht Schäubles ist es dem Parlament während der Pandemie «im Grossen und Ganzen gelungen, auch unter enormem Entscheidungsdruck kontroverse Debatten zu führen und widerstrebende Werte und Interesse gegeneinander abzuwägen». Dies könne «Mut machen für andere globalen Herausforderungen».

Die Abgeordneten warnte Schäuble, zu glauben, Politik wisse alles besser. «Wenn Politik meint, sie habe keine Grenzen, ist das mindestens genauso gefährlich wie wenn andere glauben, sie seien keinen Begrenzungen unterworfen», sagte er. «Das Prinzip unserer freiheitlichen Ordnung ist eben, dass sie begrenzt ist.»

Schäuble verteidigte gleichzeitig das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Denn es gebe keinen Weg, der vergleichbar gut einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen erreichen könne. «Davon werden wir die Bürger jedoch nur überzeugen, wenn wir unsere Rolle aktiv wahrnehmen. Es braucht ein selbstbewusstes Parlament ? selbstbewusste Parlamentarier.»

Als Makel seiner Amtszeit sah Schäuble das Scheitern einer Wahlrechtsreform, die ein nochmaliges Anwachsen der Abgeordnetenzahl im Bundestag begrenzt hätte. Er sprach von einer «persönlich bitteren Erfahrung» und forderte vom neuen Parlament einen neuen Anlauf. Die Reform dulde «keinen Aufschub», sagte Schäuble. Hier könne keine Partei aus der Mitverantwortung für eine tragfähige Lösung entlassen werden.

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