Neue Demonstration in Tiflis trotz angekündigter Wahlrechtsreform
In Georgien sind trotz Zugeständnissen der Regierung an die Opposition erneut tausende Menschen auf die Strasse gegangen.
Das Wichtigste in Kürze
- Georgische Regierungspartei will Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel einführen.

Die Regierungspartei hatte am Montag eine Wahlrechtsreform angekündigt, die bereits für die Parlamentswahl im kommenden Jahr gelten soll. Dennoch bekräftigten Oppositionsanhänger am Abend in der Hauptstadt Tiflis ihre weiterhin offenen Forderungen nach einem Rücktritt des umstrittenen Innenministers Georgi Gacharia und die Freilassung der vergangene Woche festgenommenen Demonstranten.
Mit der Wahlrechtsreform griff die Regierungspartei eine weitere Forderung der Opposition auf. «Georgischer Traum schlägt eine grossangelegte politische Reform vor», sagte Parteichef Bidsina Iwanischwili Journalisten. So solle bereits für die Parlamentswahl 2020 das Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel gelten.
Dennoch versammelten sich am Montagabend erneut tausende Menschen den fünften Tag in Folge vor dem georgischen Parlament in Tiflis. Zahlreiche Kundgebungsteilnehmer begrüssten zwar die Ankündigung der Wahlrechtsreform, kündigten aber eine Fortsetzung der Proteste bis zur Erfüllung ihrer beiden anderen Forderungen an. Auch die führende Oppositionspartei Vereinigte Nationalbewegung rief zu weiteren Protesten auf.
Seit Donnerstag gehen in Tiflis täglich tausende Menschen auf die Strasse. Auf Plakaten verurteilten die Demonstranten den Einfluss des Oligarchen auf die Politik des Landes. Auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wandten sich die Demonstranten.
Hintergrund der Proteste war der Auftritt eines russischen Abgeordneten im georgischen Parlament am vergangenen Donnerstag. Er hatte sich vom Sitz des Parlamentspräsidenten aus an die Abgeordneten gewandt. Dies werteten viele Georgier als Affront, weil die Beziehungen beider Länder seit einem bewaffneten Konflikt im Jahr 2008 als angespannt gelten.
Die Polizei setzte am Donnerstag Tränengas und Gummigeschosse ein. 240 Menschen wurden verletzt und mehr als 300 Demonstranten festgenommen. Der Kreml verurteilte die Massenproteste als «russlandfeindliche Provokation». Am Freitag verkündete Parlamentspräsident Irakli Kobachidse seinen Rücktritt. Russland reagierte mit den Flugverboten auf die Proteste in Georgien.
Das Auswärtige Amt in Berlin riet Deutschen, die sich in Tiflis aufhalten, zu besonderer Vorsicht. Menschenansammlungen sollten gemieden und den Anweisungen der örtlichen Sicherheitsbehörden Folge geleistet werden.